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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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1. Die Klimafalle
    Der Klimawandel hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Als er 1992 auf dem Weltgipfel zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro von den Vereinten Nationen auf die Agenda der Weltpolitik gesetzt wurde, war das Thema noch ziemlich neu. Im Sommer 2012, auf dem Nachfolgegipfel Rio +20, herrschte allseits Katzenjammer. Nach der beispiellosen Erfolgsgeschichte des Klimawandels als Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit und Sorge sind die Klimapolitik und mit ihr die Klimadebatte in eine Sackgasse geraten. Trotz des Kyoto-Vertrags und anderer Abkommen, der allseits beschworenen Energiewende und laufend stattfindender Klimagipfel stellen sich keine nennenswerten Erfolge ein. Im Gegenteil: Die Kurve der weltweiten Emission von Treibhausgasen zeigt steil nach oben.
    Zwar ist das Klima ein globales Thema, doch ist es nicht gelungen, ein gemeinsames Handeln der Menschheit herzustellen. Vielmehr ist der zerbrechliche blaue Planet nach wie vor gespalten in einen reichen Norden und einen armen Süden, in entwickelte Länder und in Schwellenländer, in widerstreitende nationale Interessen. Und selbst in einer Nation wie Deutschland gelingt es kaum, effektiv zu einer wirksamen globalen Klimapolitik beizutragen.
    Zusammen mit der Klimapolitik sind die Klimawissenschaften in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten. Die vielfach beschworene Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 Grad ist wissenschaftlich umstritten und politisch praktisch unmöglich. Die Debatte wird zusätzlich durch den öffentlichen Streit zwischen Warnern und Skeptikern gelähmt.Während die Warner die menschengemachte Klimakatastrophe geradezu inflationär in grellen Farben als Schreckensszenario an die Wand malen, tendiert die andere Seite dazu, den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel in Frage zu stellen. Die Klimawissenschaften, die den Klimawandel überhaupt erst thematisiert und in die Welt gebracht haben, haben sich zu oft mit der Politik gemein gemacht und sind nicht immer gut damit gefahren. Sie werden heute zerrieben vom Spiel der Interessen, vom Kampf um Glaubwürdigkeit und der Notwendigkeit, dennoch gesellschaftsrelevantes und handlungsleitendes Klimawissen zu produzieren. Kurz: Die Klimadebatte ist festgefahren, die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaften ist in Zweifel gezogen, und die Handlungsfähigkeit der Politik in Sachen Klima ist gering. Wir sitzen in der Klimafalle.
    Dieses Buch handelt davon, wie die Klimawissenschaften in diese Falle geraten sind und welche Möglichkeiten es gibt, ihr wieder zu entrinnen, um produktives Klimahandeln zu ermöglichen. Es sind nicht allein die unfähige Politik, die Übertreibungen von Medien und Klimaschützern oder die destruktive Kraft von Skeptikern, die für das vorläufige Scheitern der Klimapolitik verantwortlich sind. Vielmehr haben wir das Problem in seiner ganzen Dimension noch gar nicht vollständig verstanden. Wo genau gehört der Klimawandel eigentlich hin, wo ist sein Platz in der Welt, in der Gesellschaft, im Alltag?
    Es ist nötig, bis an den Anfang der gegenwärtigen Debatte um den menschengemachten Klimawandel, bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, zurückzugehen. Der Klimawandel ist, wie unser Rückblick zeigen wird, von Anfang an immer auch in kulturellen Begriffen verhandelt worden, auch wenn dies von den Vertretern eines rein naturwissenschaftlichen Verständnisses von Klima häufig ignoriert wird. Noch immer versuchen wir mit einem Verständnis von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, das aus dem 19. Jahrhundert stammt, ein Problem des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. So, als ob es doch möglich wäre, Natur von Kultur, Wissenschaft von Gesellschaft und Erkenntnis von Praxis rigoros zu trennen.
    Die Wege aus der Klimafalle führen über ein neues Verständnis des Klimawandels, das nicht apokalyptisch ist, sondern ihn als eine Herausforderung begreift, die Welt, die wir bewohnen, neu zu konzipieren. Dieses Buch ist das Resultat eines fortlaufenden Dialogs zwischen einem Klimaforscher und einem Ethnologen über wesentliche Etappen der Klimadebatte, an denen sie selbst beteiligt waren oder die sie als interessierte Beobachter verfolgt haben. Das Ziel ist eine Darstellung des Klimawandels als ein Thema, das nicht als drohendes Menetekel über uns schwebt, sondern seinen angemessenen Platz in unseren Gesellschaften findet.
    Der Weg aus der Klimafalle wird nicht durch eine einzelne entscheidende wissenschaftliche Erkenntnis geliefert werden, sondern
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