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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Größen in politische Verhandlungsobjekte kennzeichnet die heutige Klimadebatte. Damit geht die Veränderung der Rolle und des Selbstverständnisses der Klimaforschung einher, die schon früh durch ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit geprägt wurde.
Klimawandel und Öffentlichkeit
    Was als Eliteforschung im akademischen Idyll des Max-Planck-Instituts begonnen hatte, drängte ab Mitte der 1980er Jahre an die Öffentlichkeit. Der Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft warnte im Frühjahr 1986 in einer Stellungnahme vor einer drohenden „Klimakatastrophe“. Der anthropogene Klimawandel vollzog innerhalb kurzer Zeit eine fast magische Verwandlung „von der Hypothese zur Katastrophe,“ 11 wie der Titel einer klassisch gewordenen Medienanalyse aus der Bielefelder Soziologie lautet. Der wissenschaftliche Nachweis aus der Mitte der 1990er Jahre, dass Menschen zur globalen Erwärmung beitragen, bestätigte und verfestigte Befürchtungen, die von der breiten Öffentlichkeit und zunehmend auch von der Politik geteilt wurden. Die Umweltbewegung in Deutschland befand sich in den 1980er Jahren auf dem Höhepunkt mit dem Kampf gegen die Dünnsäureverklappung in der Nordsee, gegen Atomkraftwerke, den sauren Regen, die Umweltverschmutzung und auch gegen geistige Verkrustungen, die der beispiellose Aufstieg der Wirtschaftswundernation mit Nachkriegstrauma hinterlassen hatte. In der weltweiten Umweltbewegung war die deutsche Anti-Atomkraftbewegung, die durch den Reaktorunfall in Tschernobyl noch einmal einen Aufschwung bekam, sicherlich ein Sonderfall. In Nord- und Süddeutschland experimentierten Bastler mit alternativen Energien, erste Windanlagen tauchten auf, und die Grünen zogen 1983 in den Bundestag ein. Die von der Bundesregierung forcierte Atomenergie kam unter heftigen Beschuss,und auf Druck der Umweltbewegung wurde beschlossen, alternative Energien zu fördern. Kurzum, die Umweltbewegung war ein Massenphänomen, das weite gesellschaftliche Kreise erfasste und auch nicht vor den Toren eines Max-Planck-Instituts Halt machte. 12
    Die sich als Elite der Wissenschaft verstehende Atomforschung in Deutschland stand durch ihre Pro-Atom-Haltung im Zentrum der Kritik und musste in heftigen Auseinandersetzungen mit Laien und selbsternannten Atomexperten Rede und Antwort stehen und viele Federn lassen. Die deutsche Spitzenforschung war nicht unumstritten, das Vertrauen in die Experten war erschüttert. Doch das galt kaum für die Klimaforschung, die nun als wissenschaftliche Autorität in einer gesellschaftlich zentralen Frage Aufmerksamkeit auf sich zog, die eindeutig dem Kontext der Umweltproblematik zuzuordnen war. Nach dem Fall der Mauer trat der Klimawandel als Katastrophenszenario an die Stelle der atomaren Bedrohung des Kalten Krieges.
    Dies war also die Stimmungslage in einem umweltbewegten Land, in dem nun die Klimaforscher an die Öffentlichkeit traten. Sie taten dies als glaubhafte Autoritäten mit oft auch internationaler Reputation. Neben Klaus Hasselmann durchliefen viele der bekanntesten deutschen Klimaforscher das Max-Planck-Institut und machten beeindruckende Karrieren, übernahmen die Leitung anderer Institute, berieten Bundesregierungen oder die UNO – man denke an Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, Mojib Latif vom GEOMAR in Kiel, Hartmut Grassl, der weiter am MPI wirkt, Ulrich Cubasch von der FU Berlin und auch Hans von Storch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Egal, wie differenziert die Nachricht war, die sie und ihre Kollegen von anderen Forschungseinrichtungen überbrachten: Für weite Teile der Öffentlichkeit, der Medien und der Politik war sie eine Bestätigung dessen, was sie schon immer vermutet hatten – der größte Feind des Planeten ist der Mensch selbst. Die Angst der Umweltbewegung vor dem Weltuntergang kulminierte im Klimawandel. Der Spiegel brachte mit seinem erwähnten Titelbild vom Kölner Dom unter Wasser aus dem Jahr 1986 die Stimmungslage auf den Punkt.
    Für Zwischentöne blieb kaum Platz, die Hypothese ging nahtlos in die Katastrophe über; die Nachricht vom menschengemachten Klimawandel konnte kaum anders verstanden werden. War die Atomforschung der Buhmann der Umweltbewegung gewesen, so wurden die Klimaforscher nun von ihr als Autoritäten, Stichwortgeber und manchmal auch als Propheten und Wegweiser willkommen geheißen: Rollen, die schmeichelten und die sie schwerlich ablehnen konnten.
    Die Kontakte zwischen einzelnen Spitzenforschern und
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