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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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und Dresden und umliegende Dörfer überschwemmte. Kanzler Schröder, der kurz vor seiner erhofften Wiederwahl stand, erschien sogleich pressewirksam am Ort des Geschehens und versprach Hilfe, und das Fernsehen und die Presse taten, was sie im Falle einer Katastrophe immer tun: Sie sendeten rund um die Uhr und brachten Sonderausgaben. Wie Werner Krauß und Monika Rulfs in einer Medienanalyse zur Elbeflut zeigen konnten, kamen durchaus die naheliegenden Ursachen zur Sprache, die aus dieser schweren Flut erst eine Katastrophe gemacht hatten: die fehlende Erinnerung an frühere Elbüberflutungen, die Bebauung der als Überflutungsflächen dienenden Elbauen nach der Wiedervereinigung von 1989 und eventuelle Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Hilfsdiensten in Ost und West. 13 Doch die Medienberichterstattung unterschied sich von früheren Katastrophen vor allem dadurch, dass von Anfang an Klimaforscher im Fernsehen und in der Presse präsent waren und Auskunft gaben. Ihre Anwesenheit schuf einen größeren Kontext, der hinausging über das Management einer Katastrophe, mit der zu rechnen war: Die Elbeflut wurde von Beginn an in den Kontext des Klimawandels gestellt. Klimaforscher wie Mojib Latif zogen sich wacker aus der Affäre, indem sie betonten, dass man ein Einzelereignis rein wissenschaftlich nicht aus dem Klimawandel ableiten könne. Allerdings sei natürlich in Zukunft als Folge des Klimawandels vermehrt mit solchen Katastrophen zu rechnen, und deshalb sei es wichtig, endlich Maßnahmen nicht nur zum Katastrophenschutz, sondern auch zur Emissionsminderung zu ergreifen. Die eigentlichen Ursachen der Elbeflut, die gesellschaftlicher Natur waren, gerieten schnell in den Hintergrund, während unsere Lebensweise im Allgemeinen und unsere Sorglosigkeit im Umgang mit einer Natur, die nun zurückschlug, in den Vordergrund traten. Hier wurde exemplarisch ein rhetorisches Muster vorexerziert, das bis heute immer wieder zur Anwendung kommt: Es wird zwar betont, dass streng wissenschaftlich kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Klimawandel und Einzelereignis hergestellt werden kann, aber gleichzeitig unausgesprochen nahegelegt, dass dem gesunden Menschenverstand zufolge natürlich der Klimawandel die Elbeflut verursacht hat. Der Klimadiskurs erwies sich von Anfang an als eine interessante und flexible Gemengelage aus wissenschaftlichen und kulturellen Deutungsmustern.
    Man tritt den Wissenschaftlern in der deutschen Klimaforschung kaum zu nahe, wenn man feststellt, dass der überwiegende Teil ihrer Repräsentanten in der Öffentlichkeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten tendenziell „alarmistisch“ argumentierte. Die Kommunikationsstrategie bestand im Wesentlichen darin, die möglichen dramatischen Folgen des menschengemachten Klimawandels zu beschreiben. Es ging um „Wachrütteln“, um „Aktion einfordern“. Dazu durfte auch mal übertrieben oder zugespitzt werden, was auch den Interessen der Medien entgegenkam. Die Medien wurden vor allem anfangs als willfährige Sekretäre betrachtet, die aufzuschreiben und massentauglich zu drucken hatten, was Wissenschaftler als Wahrheit und sich daraus zwingend ergebenden Konsequenzen für die Gesellschaft erkannt hatten. An dieser Haltung hat sich bis heute wenig geändert. Wer gelegentlich mit Journalisten spricht, hört auch davon, dass immer wieder wütende Wissenschaftler bei den Chefredaktionen anrufen und sich über veröffentlichte Beiträge beschweren. So erreichte der als streitbar bekannte Klimaforscher Stefan Rahmstorf im Frühjahr 2010 durch eine Intervention bei der Redaktion, dass die Frankfurter Rundschau sich von einem veröffentlichten Artikel wieder distanzierte. Die Autorin des Artikels, die freie Journalistin Irene Meichsner, strengte daraufhin wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen Zivilprozess gegen den besagten Klimaforscher an und bekam im Dezember 2011 weitgehend Recht. Es verkompliziert die Lage, dass der Artikel der Journalistin tatsächlich nicht besonders gut recherchiert war, sodass es am Ende eigentlich nur Verlierer gab: Der Klimaforscher hatte seine Kompetenzen überschritten, die freie Presse knickte vor dem geballten Einsatz wissenschaftlicher Autorität ein, und der Ruf und die Nerven der freien Journalisten waren beschädigt. 14 Auf jeden Fall zeigt das Beispiel, wie unentwirrbar die Klimaforschung in die mediale Öffentlichkeit verstrickt ist. Statt sich selbst als medial zu erkennen, nimmt sie oft genug und im Dienste
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