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Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung

Titel: Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Autoren: Werner Kraus Hans von Storch
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Hasselmanns Ansatz der “Signaltrennung” mithilfe von Daten der aktuellen Entwicklung und unter dem Einsatz von Klimamodellen nun erhärtet.
    Das Ganze nahm die Form eines statistischen Tests an: Die Nullhypothese „Erwärmungstrend der letzten Jahre größer als natürliche Trends“ wurde abgewiesen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 5 Prozent, die Eigenschaft „nicht natürlich“ des Wandels war also zu 95 Prozent „signifikant“. So der technische Befund. Das MPI informierte die Presse darüber, aber aus der Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 5 Prozent wurde: „95 % der Erwärmung ist menschengemacht“. Mit den Medien zu sprechen ist eben nicht einfach.
    Die Analyse musste eine Reihe nicht-offensichtlicher Annahmen treffen, vor allem dass die historischen Daten ausreichend waren, um die natürlichen Schwankungen, von denen ja gerade die jüngste Entwicklung systematisch abweichen sollte, zu beschreiben. Andere Annahmen sind, dass alle denkbaren Gründe und deren Wirkungen ausreichend bekannt sind. Die Forschung in den fünfzehn folgenden Jahren hat die Plausibilität dieser Annahmen bestätigt, was aber nichts daran ändert, dass geringe Restzweifel verbleiben müssen.
    Das Ergebnis – wir haben eine ungewöhnliche Erwärmung, die wesentlich von menschlichem Tun herrührt – deckt sich mit denen von Forschungseinrichtungen in anderen Ländern und ist inzwischen eine Kernaussage des UNO-Klimarats IPCC. Diese Aussage ist dahingehend verallgemeinert worden, dass es bei ihr nicht nur um Temperatur geht, sondern auch um andere Größen wie den ozeanischen Wärmeinhalt oder die Höhe der Tropopause. 10 Zweifellos ist es jedoch ein beeindruckender Erfolg des Hamburger Max-Planck-Instituts und seines Direktors Klaus Hasselmann.
    Doch mit diesem Ergebnis war nur eine Frage beantwortet, die automatisch eine zweite nach sich zog: Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Was tun?
    Wie sollte die Gesellschaft auf die erkannten und ursächlich erklärten Veränderungen reagieren, also auf die Wirkungen des menschengemachten Klimawandels? Wie kann man die Effizienz geringerer Freisetzungen von Treibhausgasen in die Atmosphäre für die Abminderung des Klimawandels bestimmen, wie die Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen an nicht vermiedenen Klimawandel?
    Klaus Hasselmann baute Kontakte auf zur Umweltökonomie, wie sie etwa durch den US-Ökonomen William Nordhaus repräsentiert wurde; später wurde gerade mit dieser Thematik das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK gegründet, dessen Agenda eine Fortsetzung des physikalischen Ansatzes am MPI war, vorgemacht in der schönen Studie “To slow or not to slow” von besagtem William Nordhaus. Für jede denkbare Emissionsminderung schätzt man ab, mit welchen Kosten diese Minderung einhergeht und welche Anpassungskosten dann verbleiben, um dann jene Minderung abzuleiten, welche die kleinsten Gesamtkosten hat, die sich wiederum aus Vermeidungs- und Anpassungskosten zusammensetzen. Dazu wurde angenommen, dass die Anpassungskosten proportional zum Temperaturtrend und die Minderungskosten proportional zum Quadrat der Masse der eingesparten Emissionen sind. Einmal bestimmt, konnte man dann theoretisch geeignete ökonomische Steuerelemente – wie etwa Steuern, Anreize und Verbote – global implementieren. Somit war, zumindest dem Ansatz nach, das Problem im Prinzip gelöst.
    „Im Prinzip“ heißt, dass man damit natürlich gar nichts gelöst hatte, aber immerhin konzeptionell damit umgehen konnte. Es gab technische Probleme, nämlich die Bestimmung der Funktionen, um die Vermeidungs- und Anpassungskosten zu beschreiben, die Frage der Diskontsätze oder spieltheoretische Fallstricke bei der internationalen Durchsetzung. Eine Variante war zum Beispiel, die Anpassungskosten bei einer Änderung von mehr als x Grad als unendlich groß anzusetzen. Später, am PIK, setzte man dann x = 2, weil man davon ausging, dass jenseits der 2 Grad die Risiken deutlich steigen und zunehmend unkontrollierbar werden würden. Dies war die politische Geburt des 2-Grad-Ziels, das heute im Zentrum der globalen Klimaverhandlungen und der Klimadebatte steht. Es gibt verschiedene Ansichten darüber, wer wann genau das 2-Grad-Ziel zuerst vorgeschlagen hatte, aber Bundesregierung und EU folgten dieser Vorgabe. Wie wir im weiteren Verlauf dieses Buches noch sehen werden, ist es umstrittener denn je und gilt manchen als ursächlich für das Scheitern der Klimagipfel.
    Zur
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