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Der kleine Vampir (01)

Der kleine Vampir (01)

Titel: Der kleine Vampir (01)
Autoren: Angela Sommer-Bodenburg
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Das Ding im Fenster
    Es war Samstag, der Ausgehabend der Eltern.
    «Wohin geht ihr denn heute?», wollte Anton am Nachmittag wissen, als seine Mutter im Badezimmer ihre Haare auf Lockenwickler drehte.
    «Ach», sagte die Mutter, «erst gehen wir essen und dann vielleicht tanzen.»
    «Wieso vielleicht?», fragte Anton.
    «Wir wissen das noch nicht genau», meinte die Mutter. «Aber ist das denn so wichtig für dich?»
    «Nö», brummte Anton. Dass er den Krimi sehen wollte, der um elf anfing, würde er lieber nicht zugeben. Aber die Mutter hatte schon Verdacht geschöpft.
    «Anton», sagte sie und drehte sich so, dass sie ihm fest in die Augen sehen konnte, «du willst doch nicht etwa fernsehen?»
    «Aber Mutti», rief Anton, «wie kommst du denn darauf?»
    Glücklicherweise hatte die Mutter wieder mit dem Aufdrehen der Haare begonnen, sodass sie nicht mehr sehen konnte, wie sein Gesicht rot anlief.
    «Vielleicht gehen wir auch ins Kino», sagte sie, «auf jeden Fall sind wir nicht vor Mitternacht zurück.»
     
    Inzwischen war es Abend geworden, und Anton war allein in der Wohnung. Er saß im Schlafanzug auf seinem Bett, hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen und las «Die Wahrheit über Frankenstein». Die Geschichte spielte auf einem Jahrmarkt. Ein Mann in einem wallenden schwarzen Mantel hatte soeben die Bühne betreten, um das Erscheinen des Monsters anzukündigen. Da klingelte der Wecker. Ärgerlich über diese Störung sah Anton von seinem Buch auf. Oh! Gleich elf, höchste Zeit, den Fernseher einzuschalten!
     
    Anton sprang aus dem Bett und drückte auf die Einschalttaste. Dann kuschelte er sich in seine Decke zurück und wartete, dass langsam das Bild auftauchte. Aber noch lief das Sportprogramm. Im Zimmer war es schön schummrig-duster. King Kong auf dem Poster an der Wand zog eine grässliche Fratze, die zu Antons Stimmung passte: Er fühlte sich wild und wüst, wie der einzige Überlebende einer Schiffskatastrophe, gestrandet auf einer von Kannibalen bewohnten Südseeinsel. Und das Bett war seine Höhle, weich und warm, und wenn er wollte, konnte er sich darin verkriechen und unsichtbar werden. Ein Haufen Proviant lag vor dem Höhleneingang, nur das Feuerwasser fehlte noch. Sehnsüchtig dachte Anton an die Flasche Apfelsaft im Kühlschrank – aber bis dahin war es ein langer Weg über den dunklen Flur! Sollte er zum Schiff zurückschwimmen, vorbei an den blutrünstigen Haien, die nur auf Opfer warteten? Brrr!!! Aber kamen Schiffbrüchige nicht viel eher durch Durst als durch Hunger um?
    Also machte er sich auf den Weg. Er hasste den Flur mit der ewig kaputten Lampe, die keiner reparierte! Er hasste die baumelnden Mäntel an der Garderobe, die wie Wasserleichen aussahen! Und jetzt grauste ihm sogar vor dem ausgestopften Hasen in Mutters Arbeitszimmer, obwohl er sonst so gern anderen Kindern einen Schrecken damit einjagte. Endlich hatte er die Küche erreicht. Er nahm die Apfelsaftflasche aus dem Kühlschrank und schnitt sich eine dicke Scheibe Käse ab. Dabei horchte er nach draußen, ob nicht in der Zwischenzeit der Krimi angefangen hatte. Er hörte eine Frauenstimme. Vermutlich die Ansagerin, die den Beginn des Films ankündigte. Anton klemmte die Flasche unter den Arm und sauste los.
    Aber er kam nicht weit, denn schon im Flur merkte er plötzlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Er blieb stehen und horchte   … und auf einmal wusste er, was es war: Er hörte denFernsehton nicht mehr! Das konnte nur eins bedeuten: Irgendwer musste sich in sein Zimmer geschlichen und den Fernseher ausgeschaltet haben! Anton spürte, wie sein Herz einen Sprung machte, dann klopfte es wie verrückt. Und vom Bauch hoch stieg so ein komisches Kribbeln und blieb im Hals stecken. Schreckliche Bilder tauchten vor ihm auf – Bilder von Männern mit Strumpfmasken vor dem Gesicht, mit Messern und Pistolen, die nachts in verlassene Wohnungen eindrangen, um sie auszurauben, und die alles umlegten, was sich ihnen in den Weg stellte! Das Fenster im Zimmer hatte offen gestanden, fiel Anton ein – der Einbrecher könnte also über den Nachbarbalkon hereingeklettert sein.
    Plötzlich krachte es: Die Apfelsaftflasche war Anton aus der Hand gefallen und rollte über den Flur, genau bis vor die Zimmertür. Anton hielt die Luft an und wartete   … aber nichts passierte. Ob er sich die Sache mit dem Einbrecher nur einbildete? Aber warum ging dann der Fernseher nicht mehr?
    Er hob die Flasche auf und öffnete vorsichtig die Tür zu
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