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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel
Autoren: Patrick Dunne
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Bericht in der Boulevardzeitung, während der Bus im Leerlauf stand. Schließlich legte sie die Zeitung in den Schoß, wischte mit dem Handrücken ein Stück Fenster frei und sah hinaus. Auf der anderen Straßenseite lief eine elektronische Botschaft in roten Lettern über die Schaufensterfront einer christlichen Buchhandlung:… denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war…
    In diesem Augenblick dachte Jane an Sarah Glennon, und sie dachte auch an ihre eigene, verlorene Schwester.
    Kilbride lag fünf Kilometer hinter Ryevale, an derselben Busroute, vielleicht sollte sie…
    Der Bus fuhr mit einem Ruck aus der Haltebucht und unterbrach ihre Träumerei.
    Kurz vor Ryevale packte sie gerade ihren Recorder und ihr Notizbuch zusammen, als sie bemerkte, dass der Fahrgast neben ihr, ein Mann in einer grünen Armeejacke, auf ihre Beine hinabstarrte. Ihr Rock war kurz, aber wegen der Kälte trug sie eine schwarze Wollstrumpfhose. Sie zog ihre Tasche auf den Schoß, aber dann bemerkte sie, dass er in Wirklichkeit in die Zeitung sah.
    »Die Frau hatte keine Kleider an«, sagte er, nachdem sie den Kontakt mit einem fiebrigen Augenpaar hergestellt hatte. Sein Gesicht war weiß, es hätte vor Wut sein können, aber er sprach in einer Art Singsang, wie ein Kind. »Man geht nicht ohne Kleider auf den Altar, oder? Sie war eine böse Schlampe !« Er schrie das Wort zu Jane hinauf, während sie sich an ihm vorbeizwängte. Es waren nur noch zwei weitere Leute im Bus. Sie drückte erst wenige Meter vor ihrer Haltestelle auf den Summer und sprang hinaus, bevor der Bus richtig stand.
    Sie sah, wie der Mann an der Fensterscheibe rieb und zornig zu ihr hinausstarrte, während der Bus in Richtung Kilbride davonfuhr.

5
    R egen schlug gegen die Wagenfenster, als Dempsey zum Tallaght Hospital fuhr. Die Obduktion war bereits im Gange, und Deirdre Figgis, die Pathologin, beschwerte sich wahrscheinlich schon über sein Fehlen. Aber er war bei der Voruntersuchung dabei gewesen und freute sich nicht gerade darauf, mit anzusehen, wie der Körper der jungen Frau seziert wurde. Er widerstand dem Drang nach einer Zigarette, denn er hatte beim Rauchen gern das Fahrerfenster offen, und jetzt würde es hereinregnen.
    Diese Priester – wie alt waren die eigentlich? Seit er selbst fünfzig geworden war, benutzte er dieses Alter als eine Art Messlatte für andere Leute. Quinn – älter, etwas über sechzig. Lavelle – jünger, noch nicht vierzig. Und Lyons – noch jünger, Ende Zwanzig. Da Dempsey um die Mitte des Jahrhunderts geboren wurde, ließen sich seine eigenen Lebenserfahrungen und die anderer Leute von diesem Ausgangspunkt praktisch einordnen. Die Entwicklungsjahre von Quinn – die Kirche im Aufsteigen begriffen, die Balladensängerin Delia Murphy und irische Folkbands, Emigration, wenigstens ein Junge in jeder Familie Priester oder Mönch. Lavelle – ein Bein noch in den Sechzigern, Theologie der Befreiung, sich modern gebende Priester, feministische Nonnen und Liedermacher. Lyons, nur ein paar Jahre vor Dempseys Ältestem – Computer und Videos, Drogen und Gewalt, U2, Priester, die Kinder missbrauchten, und die Kirche im Niedergang begriffen. Und er selbst? Aus einer Kleinstadt stammend, die sich in seiner Schulzeit noch halb im Mittelalter befand, hatte er die Science-Fiction seiner Kindheit Realität werden sehen. Ein Gewirr von Kommunikationsmitteln umspannte den Globus, man konnte Menschen klonen, und das Jahr 2001 war bereits vorüber.
    Er fuhr auf den Parkplatz des Krankenhauses, wartete einige Minuten im Wagen und blies Rauch aus dem von der Gebäudewand geschützten Fenster. Die Gerichtsmedizinerin duldete Rauchen unter keinen Umständen. Er schnippte die Zigarette aus dem Fenster. Zeit für Figgy.
    Auf dem Weg zum Obduktionssaal kamen ihm Detective Sergeant Jack Taaffe und Mitglieder des Spurensicherungsteams entgegen. Taaffe verabschiedete sich von den anderen und blieb bei Dempsey stehen. Er kleidete sich mehr wie ein leitender Angestellter in der Wirtschaft als ein Polizist: schicke Anzüge und italienische Schuhe, modische Hemden und eine Seidenkrawatte für jeden Wochentag. Obwohl er erst in den Dreißigern war, umrahmten die Reste seines braunen Haars eine umfangreichere kahle Stelle als die seines älteren Kollegen, aber seine Frisur verschleierte diese Tatsache geschickt.
    »Sie ist schon fertig, Kevin, finito. Sie räumt gerade auf und möchte, dass du auf den abschließenden Bericht
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