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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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dich hierher brachten. Das Blut eines uralten Volkes, das in deinem Körper fließt, hat dich hergelockt.« Ich führte ihre Hand an meine Lippen. »Ich kann deine Vergangenheit in dir riechen. Das Blut einer Familie unterscheidet sich von anderem Blut. Das Blut, das in dir fließt, enthält noch immer die Schwingungen jenes Zeitalters der Schlange und des Schleiers. Und dies«, ich hob den zerbrochenen Spiegel ins Mondlicht hoch, das durch den Spalt schien, der den höhlenartigen Berggipfel über uns durchzog, »war die sechste Plage jener Ära, denn ein Traum von einer Scheibe, die wie die Korona eines Mondes leuchtete, trat im Verlauf von mehreren Nächten bei vielen auf. Träume gehen ins Blut, Natalia, und verschwinden nicht mehr. Dieser Traum steckte zu jener Zeit alle an, die schliefen, und alle, die überhaupt existierten.«
    Ich begann nun, ihr die Geschichte über diese Jahre meiner Gefangenschaft zu erzählen und über diejenigen, die darauf folgten.
    An jedem folgenden Tagesanbruch, bevor die Sonne mich finden konnte, trank ich von ihr, als Bezahlung für die Erzählung meines Daseins, ebenso wie Scheherazade einst für ihre Erzählungen mit dem Versprechen, bis zur folgenden Nacht überleben zu dürfen, bezahlt wurde.

    Ich schreibe dies aus mündlicher Überlieferung nieder. Ich schreibe nieder, was ich weiß und was ich von anderen aus jenem Jahrhundert erfuhr, das mehrere hundert Jahre in der Vergangenheit lag.
     
    Ich erwachte aus dem Plagentraum, als hätte sich eine ungeheure Explosion auf der Welt ereignet, obgleich es ein Flüstern war, das durch viele von uns gesendet wurde.
    Die Geräusche des Sterbens auf der Erdoberfläche, und die Schreie des Krieges und des Schreckens; die Erde selbst, die bebte und sich veränderte; das klimatische Verbrennen und Erfrieren; der Schleier, der immer weiter aufriss, so wie jeder Stoff weiter zerreißt, wenn erst einmal ein kleiner Faden herausgezogen wurde. Währenddessen tranken ich und mein Gefährte Ewen aus dem Hals des jeweils anderen, damit wir nicht dem gefürchtetsten aller Tode anheimfielen, jener Hölle innerhalb der Partikel des Fleisches, das von den Vampyren die »Auslöschung« genannt wird.
    Es war das Zeitalter der Schlange und des Schleiers.
    Damals glaubten wir an unsere Götter und das Jenseits.
    Wir fürchteten sie auch.
     
    Selbst unter den Untoten, den Vampyren der medhyanischen Linie, herrscht Uneinigkeit über unseren Glauben und unsere Götter. Silber, so sagten sie, zerstört uns. Spiegel sollen kein Bild von uns zeigen – denn da wir keine Seele besitzen, können wir auch kein Spiegelbild besitzen. Es wurde geglaubt, dass das Bluttrinken bei anderen Vampyren unser Volk zerstören werde. Dennoch habe ich Silberdolche ausgehalten, die mir in den Körper gebohrt wurden.

    Ich habe mehr als nur mein Bild im Spiegel gesehen – ich habe eine andere Welt gesehen.
    Ich kenne einen Spiegel, welcher aus Gold, Glas und Silber geschmiedet war, und in dem Schleier, der die Welten voneinander trennt, verfingen sich Schatten. Nachdem er zerbrochen war, wechselten seine Scherben in diese Welt hinüber, wurden von den Priestern des Blutes, des Fleisches und des Schattens übernommen und in den rituellen Artefakten verborgen. Als mir der Priester des Blutes die Visionen des Schleiers zuteil werden ließ, geschah dies durch das Glas selbst – jene Scherbe aus dem Spiegel der Medhya, welche im Schleier eingeschlossen blieb und das zeigt, was ist, sowie das, was noch kommen wird.
    Aber all dies bedeutete für mich in meiner Zeit der Gefangenschaft nichts als eine Legende, nachdem mir der Stab der Nahhashim gestohlen worden war. Nachdem die Schattenpriester den Verstand meiner geliebten Alienora übernommen hatten.
    Nachdem die Erde selbst gebebt und das verlorene Zeitalter begonnen hatte.
    Ich verbrachte Jahre in meinem Gefängnis unter der Erde und teilte mein Blut – vergiftet durch den Nektar der Friedhofsblume, die von einigen »Das Gift der Schlange« und von anderen »Fleisch der Medhya« genannt wurde – mit einem anderen Vampyr, damit wir unsere Gefangenschaft überlebten.
    Selbst die Legenden und Prophezeiungen unseres Volkes können auf viele verschiedene Arten gedeutet werden.
    Merod Al-Kamr hatte in seiner Gruft in Alkemara zu mir gesagt: »Es gibt noch eine letzte Prophezeiung, welche du nicht kennst, Maz-Sherah. Sie darf sich nicht erfüllen. In ihr geht es
um das Ende alles sterblichen Lebens sowie um die Vernichtung des Schleiers
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