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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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älter wären und es weniger wahrscheinlich wäre, dass wir sie beschädigten. Dann ließ sie mich schwören, dass ich nie wieder an diesen Schrank oder diesen Kasten ginge. Ich schwor es ihr, brach aber mein Versprechen fast sofort. Sie hatte den Schlüssel erneut versteckt, ich konnte ihn nicht finden. Doch ich ging an den Schrank. Als ich die Gemälde aus ihrer Mädchenzeit durchsah, erblickte ich eines von einem wunderschönen Mann. Ich hätte nicht sagen können, ob er siebzehn oder zwanzig Jahre alt war, aber er sah aus, als bestünde er allein aus Sehnen und Muskeln. Seine Lippen waren voll, die Augen schmal, und das Haar bedeckte seine Stirn und fiel ihm fast bis auf die Schultern. Ich hatte so einen jungen Mann noch nie zuvor gesehen. Meine Mutter hatte auf diesem Bild etwas eingefangen, woran sie sich erinnerte – diesen jungen Mann, der gefährlich und verführerisch aussah und von dem ich als Mädchen zu träumen anfing. Du warst es. Ich wusste es in dem Augenblick, als ich dich am Fenster sah. Erinnerst du dich? Es war dein Porträt. Sie hatte dich ebenfalls zu ihren Lebzeiten gesehen. Du hast sie... beschützt?«
    Ich behielt meinen ruhigen Blick bei, denn ich hegte keineswegs den Wunsch, über ihre Mutter mit ihr zu sprechen. Ihre Mutter hatte mich durch Zufall gesehen – ich hatte mich ihr nicht zeigen wollen. Alles, was ich gewollt hatte, war, die Blutlinie im Auge zu behalten und vor Schaden zu bewahren, bis die Eine käme, um Alkemara zu finden, wenn der Schleier wieder dünn geworden war.
    Sie fuhr fort: »Ich hatte die Karte im Kopf und versuchte verschiedene Male, sie zu zeichnen. Meine Eltern bettelte ich an, mir zu Weihnachten einen Globus zu schenken. Als ich ihn in jenem Jahr bekam, suchte ich darauf diese Stadt, dieses Land,
aber ich konnte sie nicht finden. Als Teenager war ich dann besessen von Geschichte. Als ich zum College ging, befragte ich meine Professoren und schrieb mich für jede Ausgrabung im Nahen Osten ein, immer in der Hoffnung, diesen Ort zu finden. Ich sprach von dieser Karte, erntete aber üblicherweise nur Lächeln bei Studienkollegen und Professoren, als trüge ich eine Karte von El Dorado in meiner Hosentasche. Als mein Studium dann ernsthafter wurde, bat ich meine Mutter um den Kasten und die Karte. Sie erwiderte, dass ich mir die Karte nur eingebildet hätte oder es sich dabei um die Zeichnung eines Kindes gehandelt hätte. Ich war imstande, meine Doktorarbeit damit zu finanzieren, dass ich für reiche Leute arbeitete, die nach Schätzen aus den verlorenen Königreichen der antiken Welt suchten. Ich nahm an Hunderten von Ausgrabungen teil, studierte Fragmente antiker Dokumente und arbeitete mit Übersetzern an Sprachen, die vielen unbekannt sind und seit Langem tot zu sein scheinen. Schließlich fand ich ein Manuskript, in dem du namentlich erwähnt warst, und zwar in den Urnen an der Ausgrabungsstätte von Taranis-Hir. Aleric Attheffelde. Aleric, Falkner. Der Mönch, der das schrieb – Bruder Micahel – erwähnt ein >verlorenes Jahrhundert<.«
    »So wurde es von denen genannt, die sich daran erinnerten«, antwortete ich. »Aber es war kein ganzes Jahrhundert, auch wenn es so schien. Fahre fort, bitte. Dieser Mönch fasziniert mich.«
    »Die Schriftstücke von Micahel wurden als betrügerisch und ketzerisch betrachtet. Später wurde er vor ein Kirchenkonzil gestellt und der Zauberei, des Mordes und der Sodomie bezichtigt.«

    »Er wurde zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt«, setzte ich hinzu und nickte. »Aber aus irgendeinem Grund kam es niemals dazu.«
    »Bruder Micahel hatte einen Bericht über dieses verlorene Jahrhundert geschrieben. Darin sprach er von mehreren Plagen von beinahe biblischen Ausmaßen – von einer schmerzhaften Seuche, von Feuer, das vom Himmel kam, und auch von etwas, das nach Erdbeben und Flutwellen klang. Er schrieb von Klimaveränderungen – die sich innerhalb von nur zwei Jahren ereigneten. Er zeichnete Kreaturen mit Tentakeln, so lang und dick wie Eichen, und von etwas, das >Plagenjungfrau< genannt wurde, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es sich dabei um ein wirkliches Wesen handelt oder bloß um eine Alterslaune des Mönchs. Ein großer Teil seines Manuskriptes war verrottet oder zerstört, aber diese Stücke schienen intakt. Er erwähnt die Stadt Taranis-Hir und eine Herrin des Weißen Pferdes, die etwas praktizierte, das er >Moormagie< nannte. Er behauptet, dieses Zeitalter der Menschheit sei eines des Chaos und weder
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