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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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verloren. Es war nicht alles so, wie es schien. Ich war nicht der Untergang meines Volkes, wie ich schon beinah glaubte.
    Die Große Schlange beschützte noch immer jene Grenze, und in meiner Vorstellung stand ich auf ihrem Rücken und ritt auf ihr, während sie den Nebel des Schleiers davon abhielt, sich über dem Land auszubreiten.
    Zu viele Nächte waren vergangen, in denen ich in dem Sarg gelegen hatte. Ich dachte an Ixtar und fragte mich: Wann würde sie wohl ihr Hunger aus ihrem Schlaf wecken? Wann würde sie von ihrem Nest herabfliegen, den Sarg öffnen und zu mir hereinkriechen, um mir das Mark aus den Knochen zu saugen.
    Eines Nachts hörte ich, wie der Deckel des Sarkophages bewegt wurde.
    Sie ist hier. Ixtar hat ihr Nest verlassen.
    Und dann folgte ein anderer Gedanke, bei dem es sich um den reinsten Wahnsinn handelte: Falls ich von der Mutter der Vampyre verschlungen werde, so bete ich, dass Pythia nicht gelogen hat. Ich bete, dass mein Ende all das beenden wird, was Artephius in Gang gebracht hat, als die Priester der Myrrydanai, der Nahhashim und der Kamr der Königin von Myrryd ihre Zauberkraft stahlen.
     
    Der schwere Deckel des Sarges bewegte sich. Ich dachte an den Vampyr, den ich gesehen hatte, als Ixtar ihm alle Glieder einzeln ausriss.
    Da stand Pythia, durch ihre Anstrengungen schweißüberströmt. Sie trug eine zerrissene und blutbeschmierte Tunika, und ein kleiner, runder Beutel, der wie eine Geldbörse aussah, baumelte an einer Kordel von ihrem Hals herab.

    Sie griff zu mir hinein und packte mich am Arm, um mich hochzuziehen.
    »Der Himmel brennt. Die Vulkane im Norden und Osten brechen aus, Asche verteilt sich überall im Lande. Aquil hat drei Nächte lang die Stadtgrenzen belagert«, erklärte sie. »Zahlreiche Vampyre wurden von feindlichen Priestern gefangen genommen und gefesselt. Du bist schwach, doch ich werde dich tragen, bis wir Blut finden. Bis dahin trinke von mir. Trinke. Jetzt. Wir haben keine Zeit zu vergeuden.« Ich ergriff ihr Handgelenk und biss mit meinen Zähnen in ihr Fleisch. Ihr Blut sprudelte mir in die Kehle wie Götterspeise. Sterbliches Blut. Ich saugte an ihrem Unterarm, bis sie ihn mir unter Aufbietung einiger Gewalt entzog. »Es wird nicht so einfach heilen«, sagte sie. Sie schloss die Wunde mit einem Streifen Stoff, den sie von ihrer Tunika abgerissen hatte.
    »Warum... rettest du mich?«, fragte ich.
    Sie entblößte ihre Fangzähne, doch die Goldmaske auf ihrem Gesicht trug einen friedlichen Ausdruck, als sie meinen Körper aus dem Sarg zog. Indem sie meinen Kopf in ihren Schoß bettete, strich sie mit ihren Fingern durch mein Haar. »Nezahual wusste es in dem Augenblick, da er mich berührte. Wenn ich bleibe, bin ich so gut wie tot. Er wird Jagd auf uns beide machen. An dem Morgen, als er uns zusammen fand, spürte er das Leben in mir.«
    »Leben?«
    »Ein Kind«, antwortete sie. Sie schien außer Atem zu sein, weil sie so schnell sprach, und ich hatte das Gefühl, ich werde durch ihre Worte in grelles Tageslicht gezerrt. »Er versuchte, ein Leben in mir zu erzeugen, doch er vermag es nicht. Sein Samen ist ausgetrocknet. Der deine aber, Maz-Sherah, er lebt.
Erhebe dich. Ich habe sieben Priester niedergemetzelt, um zu dir zu gelangen. Ich habe ihm etwas Heiliges genommen. Das Durcheinander in der Stadt ist groß, doch irgendwann wird es enden. Ixtar erwacht in ihrem Nest. Wir haben keine Zeit. Wir haben keine Zeit, verstehst du mich?«
    Sie führte mich in die Nacht hinaus, über das Flussufer hinweg, durch den großen Hohlraum des Berges hindurch. Als wir an der Obsidianwand vorbeikamen, blickte ich zu dem Eingang von Ixtars Nest. Einen Augenblick lang dachte ich, ich sähe sie, wie sie wie eine Spinne an der inneren Decke entlangkrabbelte, als hätte jemand ihren Schlaf gestört.
    Und dann wusste ich, ohne dass ich Pythia erst danach fragen musste, was in der runden Geldbörse an ihrem Hals gehangen hatte:
    Sie hat die Obsidiankugel genommen. Das Auge der Schlange.
    Ich hörte die Schlachtrufe und roch den Geruch von Rauch in der Luft. Pythia drückte mich fest an sich, als sie in den Rauch aufstieg. Wie blieben unbehelligt von dem Krieg, der unter uns tobte. Allerdings hörte ich die Schreie von Menschen sowie das Knurren und das Zuschnappen der Vampyr-Zähne während ihrer Kämpfe in der Luft, das Pfeifen von Schwertern, die die Luft durchschnitten und das Sirren von Speeren und Pfeilen, die unter uns durch die Luft flogen. Ich konnte sehen, wie es Nacht
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