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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin
Autoren: Douglas Clegg
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geflügelten Dämon. Siehst du die Schrift? Dabei handelt es sich um ein Gebet, das einfach bedeutet: >Jungfrau der Schatten, Mutter der Dunkelheit, Beschütze Uns.<«
    Sie sah die Statue der Lemesharra an, die beiden Vipern, die sich um die Sandalen der Statue wanden, jede von ihnen mit einem anderen Gesicht der Göttin, alle Aspekte von Medhya selbst. »Warum sollte ein Volk zu einer Mutter der Dunkelheit beten?«
    Ich dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Weil es vor dem Schrecken Angst hat, der in der Nacht kommt, und dem Schatten am Tage. Weil Plagen viele Menschen getötet haben und geflügelte Dämonen den Himmel bedeckten. Der Schrecken hält viele in seinem Griff.« Ich ging die Gegenstände durch, die sie auf den zerfallenden Stufen ausgebreitet hatte. »Ich vermute, dass du zusammen mit diesem allem auch Landkarten gefunden hast, die dir von deiner Urgroßmutter vererbt wurden. Die ihr von ihrem Urgroßvater vererbt wurden. Die aus einer Zeit weitervererbt wurden, die schon so viele Jahrhunderte zurückliegt, dass niemand mehr
den Namen der Person kennt, die diese Dinge als Erste in ihren Händen hielt.«
    »Ihren Händen?«
    Ich nickte. »Ich weiß, wem diese Dinge ursprünglich gehörten, Natalia.«
    Sie schwieg eine Minute lang und sagte dann: »Ja. Eine dieser Karten zeigt diesen Ort. Den Tempel.«
    »Und darum hast du ihn auch so rasch gefunden, nachdem Menschen ihn jahrhundertelang vergeblich gesucht hatten«, meinte ich. »Warum aber jetzt, Natalia? Warum bist du hier?«
    Sie griff nach der Tasche und zog Schriftstücke heraus, die in Plastik verpackt waren. Das Erste war eine Karte von Alkemara – sie hatte einst dem Alchimisten gehört, Artephius. Sie drehte die Karte um. Auf der Rückseite stand: »Die Gruft des Maz-Sherah«, zusammen mit einer Zeichenerklärung zu der Karte.
    Ich drehte die Karte erneut um. Ein abgerundeter Stern war an die Stelle gezeichnet worden, an der meine Gruft lag. In der uralten Sprache der Alchimisten war etwas auf das Pergament gekritzelt worden, und Entwürfe für Apparate und Geräte hatte man darauf gezeichnet. Derjenige, der die Karte angefertigt hatte, hatte genau gewusst, wo ich in einem zukünftigen Jahrhundert zu finden sein würde. Artephius hatte dies getan, damit einer der Nachkommen mich finden könnte. »Er hat gewusst, dass ich kommen würde«, sagte ich. »Bereits lange Zeit, bevor ich geboren wurde, war ich dazu bestimmt gewesen, hierher zu kommen. Und Artephius wusste es.«
    »Diese Karte war es«, sagte Natalia, »die mich dazu brachte, die antike Welt zu studieren. Als ich ein kleines Mädchen von acht Jahren war, fand ich sie unter den Schriftstücken meiner
Mutter, weggesperrt und versteckt wie eine Schatzkarte. Ich hatte den Schlüssel aus der kleinen silbernen Geldbörse gestohlen, die sie tief unten in ihrer mittleren Kommodenschublade aufbewahrte. Ich probierte jede Geldkassette und jede Truhe aus, die ich in unserem Haus nur finden konnte, aber der Schlüssel passte in keine davon. Eines Nachmittags, als meine Eltern in ihren Arbeitszimmern waren, wusste ich, dass ich mehrere Stunden Zeit zum Suchen hatte. An der Rückwand eines Schrankes auf dem Dachboden unseres Hauses, unter Haufen von sorgfältig eingepackten Kleidern und Stapeln von Gemälden aus der Jugend meiner Mutter, in der sie sich künstlerisch betätigt hatte, fand ich einen breiten Mahagonikasten mit Filigraneinlegearbeiten auf dem Deckel.
    Als ich einen Blick auf den silbernen Verschluss warf, bemerkte ich, dass er die Form eines Wolfskopfes besaß. Ich öffnete den Kasten und fand Dokumente und Zertifikate, Geld aus anderen Ländern, das ohne Zweifel zusammengetragen worden war, während irgendein Vorfahre durch die Welt gereist und schließlich, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, nach London gekommen war. Ich fand diese Dinge, sie regten meine Vorstellungskraft an. Oft sah ich mir diese Gegenstände an, insbesondere die Karte. Eines Nachts erwischte mich meine Mutter, als ich diese Dinge eingehend studierte. Sie war wütend, dass ich ihre Sachen durchwühlt hatte. Dann erzählte sie mir, sie habe sie, genau wie die Amateurbilder aus ihren frühen Jahren als aufstrebende Künstlerin, einzig und allein aus sentimentalen Gründen behalten, dass es sich bei ihnen aber um Privateigentum handelte. Ich fragte sie, warum sie weggeschlossen worden wären. Darauf antwortete sie, dass Kinder Dinge zerbrechen und zerstören. Sie wollte sie nicht hervorholen,
bevor wir
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