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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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wurde.
    Im Zuge dieser Unternehmung hatten die Chorl vom Geisterthron erfahren, und das hatte sie letztlich nach Amenkor geführt.
    Meine Hand zuckte, meine Finger öffneten sich und schlossen sich zu einer Faust. Ich wollte das Gewicht meines Dolchs in der Hand spüren, sehnte mich nach dem tröstlichen Gefühl des Griffs in meiner Faust. Ich wollte jagen und töten – ein Verlangen, das Erick damals am Siel in mir geweckt hatte. Doch ich kämpfte den Drang zurück, schmeckte dabei Verbitterung und Blut und schluckte schwer.
    »Was fehlt ihm?«, erkundigte ich mich.
    Isaiah schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Eigentlich hätte er schon vollständig genesen müssen, wenn schon nicht geistig, so doch zumindest körperlich. Er hätte erwachen müssen und sollte bei Bewusstsein sein. Seine Wunden sind verheilt, aber längst nicht so gut, wie zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommen Fieber und Krämpfe. Es ist, als ob irgendetwas von außerhalb ihn daran hindert, gesund zu werden.«
    Die Begabte berührte Isaiah am Arm, und er nahm das ihm dargereichte Tuch entgegen und wischte Erick damit den Schweiß von der Stirn. Erick stöhnte. Es war ein lang gezogener, tiefer Laut. Isaiah verzog das Gesicht und suchte meinen Blick.
    »Ich weiß nicht, ob ich noch etwas für ihn tun kann.«
    Ich hörte die Verbitterung in seiner Stimme, sah die widerwillige Niederlage und die Verzweiflung in seinen Augen. Seit zwei Wochen kümmerte er sich nun schon um Erick, anfangs im Hinterzimmer einer Taverne am Kai, wohin Erick von Westen gebracht worden war, nachdem der Hauptmann der Sucher ihn aus der Gefangenschaft auf dem Chorl-Schiff befreit hatte. Später hatten wir Erick in den Palast gebracht. Zu Beginn warIsaiah guter Dinge gewesen und hatte erklärt, Erick werde binnen einer Woche erwachen und aufstehen. Dann aber, nachdem zehn Tage verstrichen waren …
    Erick begann zu zittern. Schauder durchliefen seinen Körper. Seine leichenblassen, schlaffen Arme zuckten an seinen Seiten. Es tat weh, seine Qual mit anzusehen. Der Schmerz wurde schlimmer, als Isaiah und die Begabte die Arme ausstreckten, um Erick festzuhalten. Gequält verzog er das Gesicht. Tränen lösten sich aus seinen Augenwinkeln. Ich spürte eine unsichtbare Hand, die sich mir um die Kehle legte. Meine Lungen brannten, als Ericks Zittern stärker wurde und sein Stöhnen zu einem Schrei anschwoll …
    Dann endete das Zittern. Sein Körper sank auf das Bett zurück, sein Schrei verstummte, und der Atem entrang sich ihm als langes, pfeifendes Seufzen.
    Isaiah, dessen Hände auf Ericks Schultern ruhten und dessen Gewicht auf der Brust des Kranken drückte, zögerte kurz; dann ließ er von ihm ab. »Ich weiß nicht, was ich tun kann, außer abzuwarten.«
    Eine Zeit lang standen wir schweigend da.
    Schließlich sagte ich: »Keven, fang mich auf.«
    Als ich in den Fluss tauchte, hörte ich Keven fragen: »Was ist?« Doch ich streckte mich bereits nach dem Feuer, das in Ericks Innerstem loderte. Seit der Zerstörung des Thrones hatte ich mich in niemanden mehr hineinversetzt. Es war nicht nötig gewesen. Nun aber wollte ich – musste ich – in Erfahrung bringen, ob Erick Schmerzen litt. Deshalb entsandte ich meinen Geist in ihn.
    Doch ohne die Macht erwies es sich als ungeheuer schwer.
    Scharf sog ich den Atem ein, als ich gegen eine Wand prallte. Es war, als versuchte etwas, mich zurückzuhalten, mich daran zu hindern, meinen Körper zu verlassen. Ich nahm all meine Wut zusammen, bündelte all den Schmerz, den es mir bereitete, Erick Tag für Tag in seinem kläglichen Zustand zu sehen,und mobilisierte alle Schuldgefühle, die mich plagten, weil ich ihn auf eine Mission geschickt hatte, bei der er hätte getötet werden können. All diese Empfindungen verschmolz ich zu einer hauchdünnen Klinge und durchschnitt damit die Wand, durchdrang sie mit jähem Schmerz. Dann legte ich in rasender Geschwindigkeit die kurze Entfernung zu Erick und zu dem Feuer zurück, das in seiner Seele loderte. Hinter mir hörte ich, wie Keven fluchte und meinen zusammensinkenden Körper auffing.
    Und dann war ich in Erick, und der Schmerz …
    Er brannte .
    Ich krümmte mich, schürte das Feuer höher um mich, sperrte die Qualen aus, kapselte mich von Erick ab, bis ich keuchend innerhalb des Feuers kauerte. Die Schmerzen hatten mich überrascht, weil es keinen erkennbaren Grund dafür gab – weder eine Wunde noch sonst eine sichtbare Ursache dafür, dass Erick solche Pein verspürte.
    Und
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