Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
doch war es so. Und vielleicht würde es mir von hier aus gelingen, herauszufinden, weshalb.
    Als das Brennen nachließ, fasste ich mich wieder, streckte mich und berührte das Feuer. Ich zügelte die schützenden Flammen und ließ hereinsickern, was Erick empfand, damit auch ich es spüren konnte, wobei ich sehr behutsam vorging.
    Ich schnappte nach Luft, als der Schmerz über meine Haut kroch wie tausend stechende Ameisen. Behutsam ließ ich den Schmerz fließen, stetig und gleichmäßig, bis er halbwegs erträglich war. Dann zügelte ich erneut das Feuer. Das Kribbeln wurde wieder stärker und drang tiefer vor; es fühlte sich an wie eine schwere, nasse Decke aus Nadeln, die sich mir heiß und stechend in die Haut bohrten.
    Dann endlich verebbten die Qualen. Sie brannten zwar weiterhin auf Ericks Haut, wurden aber nicht mehr stärker.
    Keuchend atmete ich ein und hielt für einen Augenblick die Luft an, ehe ich sie seufzend entließ. Ich spürte, wie EricksBrust sich hob und in der Bewegung verharrte; dann hörte ich ihn durch seine Ohren ebenfalls seufzen. Sein Herz schlug kräftig und gleichmäßig. Hin und wieder verspürte ich durch die Nadeldecke leichte Schmerzen und konnte auf diese Weise jene Stellen ausmachen, an denen Erick bei der Folter verletzt worden war und wo sich die Wunden befanden, die nicht verheilen wollten. Doch die Verletzungen waren geringfügig. Stattdessen focht Ericks Körper einen Kampf gegen die glühenden Nadeln und versuchte, die Wunden zu heilen, die sie ihm – scheinbar – beibrachten. Das aber konnte unmöglich gelingen, denn es gab nichts, das sein Körper hätte heilen können, sodass Ericks Kraft in einem hoffnungslosen Gefecht vergeudet wurde.
    Ich löste die Aufmerksamkeit von Ericks Körper und machte mich stattdessen auf die Suche nach Erick selbst.
    Ich fand ihn in den tiefsten Winkeln seines Geistes, wo er zitternd kauerte. So hatte ich ihn auf dem Schiff der Chorl angetroffen. Die ihm zugefügten Qualen waren so groß gewesen, dass er sich in sich selbst zurückgezogen und von der Welt abgeschottet hatte.
    Seine Lage hatte sich seither nicht verbessert. Wir hatten gehofft, er wäre dank unserer Bemühungen auf dem Weg der Besserung, und bis zu einem gewissen Grad stimmte das auch: Seine Muskeln fühlten sich nicht mehr so geschunden an, schmerzten nicht mehr von den Tritten und Schlägen, und seine Brust und die Kehle waren nicht mehr so rau vom vielen Schreien. Es ging ihm ein wenig besser. Aber noch längst nicht gut genug, weil die Schmerzen nicht enden wollten.
    Ich zog einen Stuhl ans Bett und ließ mich darauf nieder, streckte die Hand aus und strich Erick über die Stirn – so, wie er selbst es wohl tausend Mal bei mir getan hatte, seit er mich damals am Siel fand, neben dem Leichnam des zweiten Mannes, der durch meine Hand gestorben war.
    Sein Körper zuckte bei meiner Berührung. Ich beugte mich näher zu ihm.
    Erick.
    Ein neuerliches Zucken. Das Zittern hörte kurz auf, setzte dann wieder ein.
    Erick, ich bin es, Varis.
    Schluchzend schauderte er, und sein Körper bebte, als in seinem Inneren Gefühle aufwallten – Bedauern und Niedergeschlagenheit, Verletzlichkeit und Kummer. Und Enttäuschung. Aber nicht über mich, sondern über sich selbst.
    Er glaubte, versagt zu haben.
    Ich spürte, wie sich mein Herz zusammenkrampfte. Etwas Hartes, Heißes nistete sich in meiner Kehle ein. Ich streckte mich, wand mich um Erick und zog ihn an mich. Überall dort, wo unser beider Wesenheiten einander berührten, strahlte ich Trost, Erleichterung und Freude darüber aus, dass er noch lebte. Es war dieselbe Freude, die ich empfunden hatte, als ich ihn auf dem Schiff fand, nur wurde sie diesmal nicht von Wut begleitet. Die Wut war verpufft, als ich den Thron gespalten und seine Macht entfesselt hatte, um die Ochea zu vernichten.
    Du hast nicht versagt , flüsterte ich und entsandte diese Botschaft über unsere Berührung in sein Inneres. Du hast mich noch nie im Stich gelassen … Vater.
    Erick schluchzte, und irgendetwas in ihm löste sich. Ich hielt ihn weiterhin fest, ließ meine Gefühle in ihn fluten.
    Ein Anflug von Schuldgefühlen erfasste mich und trieb mir Tränen in die Augen. Ich hätte früher herkommen und nach ihm sehen sollen. Ich hätte versuchen müssen, ihn hier durch das Feuer zu erreichen.
    Nein.
    Ich erstarrte für einen Moment. Dann löste ich mich von Ericks Wesenheit. Sein Körper blieb zusammengekrümmt, doch das Zittern hatte aufgehört, und das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher