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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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fertiggestellt zu sein. An den anderen wurde noch gebaut.
    »Das sind Borunds Schiffe«, sagte ich und lächelte verhalten, weil das Übelkeit erregende Ziehen in meinem Magen sich noch nicht gelegt hatte. Ich schmeckte Galle in der Kehle und schluckte die Bitterkeit hinunter; dann riss ich mich zusammen und wandte mich wieder dem Dock zu.
    Hauptmann Darryn und Hofmarschall Nathem warteten vor ihrer Eskorte.
    Am Kopf des Landungsstegs trafen wir auf Avrell, Erick, Marielle und Westen.
    Avrell wirkte betrübt.
    Ich hielt inne und hätte beinahe die Hand ausgestreckt, um ihn zu berühren, drehte mich dann aber um, als der Landungssteg auf dem Dock aufsetzte und Besatzungsmitglieder das Schiff verzurrten. Dabei machten sie weiterhin Lärm, doch er war nun in den Hintergrund verblasst. Meine Aufmerksamkeit galt Darryns Gesicht, der Beherrschung, die ich darin sah, der Bedrücktheit.
    Bullick ging die Landungsbrücke hinunter. Er begrüßte Darryn und Nathem, lauschte den beiden kurz und schaute zu mir zurück, ehe er zur Seite trat.
    Langsam stieg ich hinunter. Der Lärm der Menge wich nochweiter zurück, ebenso alles Treiben am Kai. Eine Taubheit erfasste mich und brachte meine Arme, meine Finger, meine Beine zum Kribbeln. Es war eine vertraute Taubheit. Ein vertrauter Schmerz.
    Kaum war ich vom Steg aufs Dock getreten, fragte ich: »Wo ist Eryn?«
    Darryn setzte eine verbissene Miene auf, und ich sah ihm die Antwort an den Augen an.
    Er sagte kein Wort.
    »Bring mich zu ihr.«
    Er nickte und deutete auf die wartenden Kutschen.

    Nathem hatte ihren Körper im Thronsaal vor den Thron gelegt, umgeben von Kerzenlicht. Ein weißes Leichentuch, das von den Rändern des Tisches herabhing, bedeckte sie. Das Tuch war in Gold mit dem Zeichen des Geisterthrones bestickt. Darunter waren ihre Hände übereinander auf die Brust gelegt worden. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Haut wirkte blass und glatt. Das schwarze Haar, das um ihren Kopf ausgebreitet war, sah wie vergossene Tinte aus.
    »Wir haben sie hier gefunden«, sagte Nathem, wobei seine betagte Stimme schwankte. »Am Fuß des Thrones.«
    Ich blickte auf Eryns Gesicht hinunter, auf die Falten, die selbst der Tod nicht zu glätten vermocht hatte, auf die Blässe ihrer Haut, auf ihren Hals und die Goldkette, die ihr jemand umgehängt hatte, auf den goldbestickten Saum des weißen Kleides, das sich an den Rändern des Leichentuchs abzeichnete. Ich spürte, wie Nathem zu meiner Rechten unbehaglich von einem Bein aufs andere trat. Links von mir nahm ich Avrells Gegenwart wahr. Niemand sonst hatte uns in den Saal begleitet, nur Erick und Westen, die respektvoll am Eingang zurückgeblieben waren.
    Ich wollte die Hand ausstrecken und Eryn berühren, konntees aber nicht. Ich wollte die Kälte ihrer Haut nicht unter den Fingern spüren, wollte den Tod nicht fühlen.
    Stattdessen hob ich den Blick zum Thron. Die Hitze der Kerzen erwärmte mein Gesicht, und ich roch ihren bitteren Rauch.
    Dann erstarrte ich.
    Denn der Thron war nicht mehr gesprungen.
    Und noch während ich hinschaute, verformte er sich. Der raue Granitsitz verwandelte sich in einen Stuhl mit kurzer, gerader Rückenlehne ohne Armstützen.
    Garus’ Sitz im Rat der Sieben.
    Ich sog scharf die Luft ein und schaute wieder ins Eryns Antlitz hinunter.
    »Was hast du getan?«, flüsterte ich.
    Der Thron veränderte sich erneut und nahm die Gestalt eines großen, runden Polsterhockers an. Silicias Sitz.
    Ich wich von Eryns Leichnam zurück, ging um den verhüllten Tisch herum, stieg die drei Steinstufen des Podiums hinauf und stellte mich vor den Thron.
    Ich streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, zögerte dann aber.
    Denn nun konnte ich eine Präsenz fühlen, die sich in diesem Raum befand. Nicht so gewichtig wie zuvor, nicht so erstickend, aber sie war da.
    Und doch konnte ich sie auch nicht fühlen. Jedenfalls nicht so wie zuvor.
    Weil sie kein Teil von mir und ich kein Teil von ihr war. Weil dieser Thron hohl war.
    Niemand beherrschte ihn. Niemand hatte den Anspruch darauf erhoben. Noch nicht.
    Reglos blickte ich hinunter, als der Stein sich abermals verformte und zu Flussgestein wurde, glatt geschliffen von Wasser und Alter.
    »Sie hat den Thron geheilt«, sagte Nathem hinter mir leise.»Sie meinte, sie würde sterben, und es gäbe nichts, was getan werden könne, um sie zu retten. Deshalb wollte sie versuchen, den Thron wiederherzustellen. Sie sagte, Ihr hättet sie auf diese Idee gebracht, weil Ihr erzählt habt,
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