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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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Dabei fiel mir auf, dass die Banner Atlatiks sich auf der gegenüberliegenden Seite des Risses befanden, der sich im Boden aufgetan hatte. Die Reihen der Männer Venittes teilten sich vor uns. Die Gardisten Amenkors unter ihnen nickten uns zu, als wir vorbeigingen. Einige schlugen das Zeichen des Geisterthrones vor der Brust, andere knieten nieder. Sie versammelten sich hinter uns, als wir zu Fürst March und dessen Gefolge gelangten. Seine Männer warteten mit gezückten Schwertern. Der Fürst stieg vom Pferd. Sein Gesicht war ausgezehrt, sein Bart verklebt vor Schweiß und Blut, und seine Augen wirkten schwarz vor Zorn.
    »Was habt Ihr getan?«, fragte er schroff, als ich vor ihm stehen blieb.
    Ich antwortete nicht, senkte stattdessen den Kopf. »Fürst March.«
    »Sie hat geholfen, die Ratskammern und den Wall zu sichern«, sagte Daeriun in die Stille hinein. »Und jetzt«, fuhr er fort, als Marchs Zorn verpuffte, »möchte sie die Kampfhandlungen hier beenden.«
    Marchs Blick fiel auf mich. Sein Atem ging in kurzen Stößen durch die Nase. Seine Hand krampfte sich um den Griff seines gezogenen Schwerts, und seine Rüstung knarrte. Das Pferd hinter ihm schnaubte und stampfte ungeduldig mit den Hufen. March schaute zu seinen Männern und über die geflügelten Helme des Protektorats zu Catrell und seinem nächsten Hauptmann, dann wieder zu mir. »Ihr könnt das hier wirklich beenden?«
    »Ich kann es versuchen.« Als March immer noch zögerte, fügte ich hinzu: »Haqtl ist tot.«
    Er nickte. »Also gut. Dann versucht es.«
    Ich schmeckte seine Zweifel im Fluss und hörte sie deutlich in seiner Stimme. Dennoch wandte ich mich den Chorl zu, den Bannern, die Atlatiks Position verrieten, und ohne ein weiteres Wort ging ich an Fürst March und dessen Gefolge vorbei. Ich überquerte den verwaisten Bereich zwischen den beiden Streitkräften, wobei meine Füße auf den Steinplatten knirschten. Vor der Erdspalte, die Sorrenti geschaffen hatte, blieb ich stehen und starrte kurz auf deren gezackten Rand hinunter; dann stieg ich darüber hinweg und verlangsamte die Schritte, als ich mich der Linie der Chorl näherte. Nur Erick und Baill folgten mir.
    Zehn Schritte vor den Chorl blieb ich stehen und blickte finster auf ihre vordersten Ränge, in die blauhäutigen Gesichter, auf die dunkelblauen Tätowierungen und die bunt schillernden Kleider, die sie über den Rüstungen trugen, nunmehr verdreckt von Staub, Blut und Schweiß. Sie beobachteten mich unsicher. In ihren dunklen Augen brodelte Hass … und ein wenig Furcht.
    Plötzlich begriff ich, dass sie glaubten, ich hätte die Erdspaltegeschaffen und den Boden erbeben lassen. Und sie wussten, was eine solche Kraft anzurichten vermochte. Sie hatten gesehen, wie ihr Heimatland von etwas Ähnlichem zerstört wurde und ihre Insel im Meer versunken war.
    Auch ich hatte es gesehen – durch die Augen der Ochea, kurz bevor ich den Thron zerstört hatte.
    Ich ließ sie jene Erinnerung einen Augenblick erneut durchleben, dann holte ich tief Luft und rief, so laut ich konnte: »Atlatik!«
    Anspannung wogte durch die Streitmacht der Chorl. Ich hatte gerade Luft geholt, um noch einmal zu rufen, als die Gruppe vor mir unruhig wurde und Männer aus dem Weg traten, um jemanden vorbeizulassen.
    Atlatik schritt durch die vorderste Linie, das blutige Schwert im Anschlag. Ich starrte ihm in die Augen und erinnerte mich daran, dasselbe getan zu haben, nachdem ich die Ochea in Amenkor besiegt hatte. Damals wollte er angreifen, statt klein beizugeben, doch Haqtl überzeugte ihn davon, den Rückzug anzutreten. Auch die besonders kunstvollen und ausgeprägten Tätowierungen, die sein Gesicht überzogen, waren mir im Gedächtnis geblieben. Außerdem war die untere Hälfte eines Ohrs abgeschnitten und die Nase gebrochen, wodurch sein ohnehin flaches Gesicht noch platter wirkte.
    Er näherte sich mir bis auf fünf Schritte, flankiert von zwei Chorl.
    Zu meiner Rechten versteifte sich Erick, zu meiner Linken trat Baill vor. Beide hatten die Hand am Schwert.
    Ich schmeckte die Spannung in der Luft so bitter wie Galle.
    »Was du willst?«, knurrte Atlatik in gebrochener Küstensprache.
    »Es ist vorbei«, sagte ich.
    Atlatik schnaubte, setzte eine finstere Miene auf und spuckte aus.
    Ich lächelte und winkte die Bande herbei.
    Die Männer, die Haqtl trugen, kamen nach vorn und ließen den Leichnam zwischen uns auf den Boden fallen. Beide Leibwächter Atlatiks traten drohend vor, verharrten jedoch, als der
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