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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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Ihre Züge waren verzerrt vor Anstrengung. Schweiß strömte ihr über die Wangen und die kaltblaue Haut ihres Halses, an dem Muskeln und Sehnen dick hervortraten. Die Frau war von zehn Chorl-Kriegern und zwei Priestern umgeben. Die Krieger trugen bunt leuchtende Kleidung über schmucklosen Lederrüstungen. Ihre Blicke waren auf das Schlachtgetümmel hinter mir geheftet, ihre Körper angespannt, und ihre Hände ruhten auf den Griffen ihrer Schwerter. Die Priester trugen schillernde, gelbe und rote Gewänder, dazu Muschelhalsketten. Einer hielt ein Zepter aus Schilf und Federn. Die Gesichter sämtlicher Männer waren über und über tätowiert, ebenso die Hälse und die Hände.
    Die Frau, die das Feuer beschwor, trug fünf goldene Ringe in jedem Ohr; das Gold schimmerte zwischen den langen Strähnen ihres schwarzen Haares hindurch. Sie besaß keine erkennbaren Tätowierungen; ihre Haut war makellos.
    Unbemerkt huschte ich durch den Ring der Krieger, bis ich vor der Frau stand und in ihre dunklen Augen blickte. Ich verspürte einen Anflug von Bedauern, dass nur eine Adeptin derChorl an diesem Angriff beteiligt war. Aus der Nähe konnte ich ihren Schweiß riechen und hörte den leisen Sprechgesang der Priester links und rechts von ihr. Durch die Fäden rings um mich strömte Spannung. Es roch nach Furcht und Blut und zertrampeltem Weizen.
    Finster starrte ich der Chorl ins Gesicht.
    Kreaturen wie sie hatten auf den Chorl-Schiffen gestanden, die in Venittes Hafen eingedrungen waren und die Fischfang- und Handelsschiffe überfallartig angegriffen hatten.
    Kreaturen wie sie hatten eine Feuerkugel nach der anderen auf Häuser am Hafen geschleudert und den Feuerball entfesselt, der Olivia, Jaer und Pallin getötet hatte.
    Jaer. Ich hatte ihre verkohlte, staubtrockene Haut spüren können, die unter meiner Berührung abgeblättert war, als ich ihren zierlichen Körper an meine Brust drückte …
    Sie war erst fünf Jahre alt gewesen.
    Der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen, und der Ansturm der Gefühle schnürte mir die Kehle zu. Ich riss die Arme hoch und zog weitere Fäden an mich, während Zorn in mir aufstieg, bitter wie Galle, meinen Mund flutete und meine Zunge belegte. Ich hätte sie alle mit einer einzigen Handbewegung töten können, hätte ihre Herzen zum Stillstand bringen können. Sie würden tot sein, ehe sie wüssten, wie ihnen geschah. Ich hätte ihnen glühende Nadeln aus grellem Schmerz ins Fleisch stechen können, hätte sie an Ort und Stelle häuten können. Ich hätte Blitze aus dem klaren Morgenhimmel herabbeschwören können, hätte die Erde unter ihnen aufbrechen und sie verschlingen lassen können. Ich konnte sie auf hunderterlei Weise töten, indem ich eines – oder alle – der fünf magischen Geschicke einsetzte.
    Ich entschied mich für Feuer.
    Einen Lidschlag bevor ich die Fäden entzündete, die ich um sie gewoben hatte – um die Priester, die Krieger, die Adeptin –, erstarrte die Chorl-Frau. Durch den Schleier aus Tränen, der mirdie Sicht trübte, sah ich, wie sich ein wachsamer Ausdruck auf das Gesicht der Chorl legte. Vor ihr schwebte ein halb fertiger Feuerball. Doch nun spürte sie irgendetwas – ein Zittern der Fäden, eine Störung in der Luft. Oder sie hatte das Schluchzen gehört, das aus meiner Kehle aufgestiegen war.
    Es spielte keine Rolle. Ich ließ ihr keine Gelegenheit zu reagieren.
    Ich entfesselte das Feuer und schrie, als ich die Fäden entzündete, mit denen die zwölf Krieger der Chorl und die Adeptin aneinandergebunden waren. Es war der Aufschrei eines Schmerzes, der niemals enden würde – tierhaft, rau und kehlig. Mit geschlossenen Augen stand ich da, spürte das Erschrecken der Priester, der Krieger und der Frau in jener winzigen Zeitspanne, ehe das Feuer sie erfasste, sie mit seiner Gewalt zurückschleuderte, sich durch ihre Kleider, durch Fleisch und Knochen sengte wie jene Flammen, die Olivia, Jaer und Pallin die Haut verkohlt hatten. Ich legte all meine Wut in den Angriff, all meinen Schmerz, all die Gefühle der Nutzlosigkeit und der Verzweiflung, die ich in den vergangenen zwei Wochen empfunden hatte, als der Friede an der Küste Frigeas durch den Angriff der Chorl zerstört worden war.
    Kurz darauf, als die dreizehn verkohlten Leichen meiner Gegner in einem schauerlichen Kreis um mich lagen, sank ich keuchend auf die Knie, mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten. Tränen strömten mir übers Gesicht.
    Der Schmerz pulsierte immer noch im Rhythmus meines
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