Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
dunkelblauen Gewänder ineinander verschränkt, doch die Schlinge ließ es nicht zu. »Wie kann ich Euch helfen, Regentin?«
    »Eigentlich bin ich gekommen, um Euch zu helfen«, erwiderte ich, bückte mich und hob einen zerbrochenen Stein auf, der einst Teil der äußeren Palastmauer gewesen war. Wir standen an der Stelle, wo die Tore die Chorl aufgehalten hatten – ungefähr zehn Minuten lang. Mit dem Stein in einer Hand ließ ich den Blick über die gezackten Ränder der Mauer und überdas Geröll schweifen, das sich fächerförmig bis in den äußeren Kreis erstreckte. Aus dem Steinmuster konnte ich herauslesen, welche verheerende Kraft hinter der Explosion gesteckt hatte. Ich konnte erkennen, wo der Steinbogen über den Toren eingestürzt war, nachdem der Feind die Mauer durchbrochen hatte. Gebäude zu beiden Seiten der breiten Straße, die hinauf zum Palast führte, waren von der Wucht der Detonation erfasst worden. Ihre Mauern hatten nachgegeben; Fenster und Türen waren nur noch klaffende, leere Löcher. Ein Haus war in sich zusammengesunken und stand kurz vor dem Einsturz. In der Luft hingen noch immer Staubschleier, und die Kanten der zerbrochenen Steine waren scharf. Am Siel hätte es anders ausgesehen: Alles hätte nach Fäulnis gestunken, wäre vom Alter glatt geschliffen und von Moos und Unkraut überwuchert gewesen.
    Unmittelbar nach dem Angriff war ein schmaler Pfad durch das Geröll geräumt worden, um den Verkehr zwischen der Stadt und dem Palast zu ermöglichen. Alles andere aber lag noch in Trümmern.
    Ich wandte mich wieder Avrell zu. »Ich habe Helfer mitgebracht.« Damit gab ich Keven, meinem Leibwächter, und den anderen Gardisten hinter mir ein Zeichen.
    »Ihr habt die Regentin gehört«, sagte Keven im Befehlston. »Lasst uns die Trümmer beiseiteräumen. Arcus, du übernimmst die linke Seite, ich die rechte. Los!«
    Ich lächelte, als Avrell verwundert die Brauen hob; dann bückte ich mich, hob weitere Steinbrocken auf und warf sie auf den Abfallhaufen. Rings um uns hielten die Männer und Frauen von Avrells Arbeitstrupp erstaunt inne; dann grinsten sie, als die Gardisten sich ihnen anschlossen. Seit dem Angriff hatten sie sich an deren Anwesenheit in der Stadt gewöhnt.
    Avrell beobachtete das Geschehen, bis er sich überzeugt hatte, dass die beiden Gruppen reibungslos zusammenarbeiteten. Dann wandte er sich wieder mir zu. Dabei stellte er sichzwischen den Steinhaufen, den ich abtrug, und den, der aus der Stadt gekarrt werden sollte.
    »Ihr solltet das nicht tun«, sagte er missbilligend.
    »Warum nicht?« Ich keuchte, als ich einen für mich etwas zu schweren Brocken auf den Haufen der wiederverwendbaren Steine wuchtete.
    »Weil Ihr die Regentin seid.«
    Ich schnaubte. »Und?«
    Avrell schürzte die Lippen, erwiderte aber nichts.
    Ich deutete auf Avrells Arbeitstrupp. Er bestand aus nur fünfzehn Männern und Frauen, alle ausgezehrt vom harten Winter. Die meisten kamen aus der Unterstadt, der Gegend oberhalb des Kais. Ich wusste, dass ähnliche Gruppen über die ganze Stadt verteilt beschäftigt waren. Am Kai beaufsichtigte Catrell die Aufräumarbeiten. Nathem, der Hofmarschall, erledigte dieselbe Aufgabe am größtenteils unversehrten Siel und in der Unterstadt. Darryn befand sich auf dem Marktplatz und unterwies alle Bürger, die sich dort einfanden, in den Grundlagen der Schwertkunst und Selbstverteidigung.
    »Ihr braucht Hilfe, Avrell, und wir haben nicht genug Leute, um jemanden untätig bleiben zu lassen.« Ich ließ meine Worte auf ihn einwirken, ehe ich fragte: »Wie schlimm ist es? Haben wir schon eine Schätzung?«
    Er ließ den Blick über die Arbeitenden schweifen. »Noch nichts Genaues. Und ich glaube auch nicht, dass wir je etwas Genaues herausfinden werden. Jedenfalls haben wir bei dem Angriff fast die Hälfte der Bürgerwehr verloren, vorwiegend Männer vom Siel. Darryns Männer.«
    Ich verzog das Gesicht. Darryn war ein mittelloser Söldner, der zum Leben am Siel verdammt worden war, nachdem das Weiße Feuer in der Stadt gewütet und die Handelsrouten in einen Todesstrudel gestürzt hatte. Ich hatte Darryn trotz der Vorbehalte Baills und Catrells die Verantwortung über die Bürgerwehr übertragen, nachdem er geholfen hatte, einen Aufstandzu verhindern, und bei einem anderen eingeschritten war. Darryn hatte sich wacker geschlagen. Er hatte die Bewohner des Siels nach besten Kräften am Leben erhalten und sowohl das Lager als auch die Küche beschützt, die wir dort
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher