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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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errichtet hatten, um die Leute zu ernähren. Beim Angriff der Chorl hatte er den Siel bei einem Sturmangriff auf die Flanken der blauhäutigen Krieger angeführt und verhindert, dass die Chorl in die Elendsviertel vordringen konnten.
    Seither nannte ihn das Volk von Amenkor den »Herrn des Siels«. Kein besonders erhebender Titel, aber durchaus passend. Dies war auch der Grund dafür, weshalb Darryn ausgewählt worden war, die Einwohner das Kämpfen zu lehren. Sie vertrauten ihm, und er konnte sich besser in sie hineinversetzen als Catrell.
    »Was ist mit den Bürgern? Und mit den Gardisten?«, fragte ich.
    »Unter den Bürgern gab es Verluste. Wie groß, ist schwer abzuschätzen, erst recht, wenn wir den Siel mit einbeziehen. Einige sind verhungert, andere sind an Krankheiten gestorben. Und dann kamen die Chorl …«
    Ich hielt in der Arbeit inne und suchte Avrells Blick. »Wie viele Tote?«
    »Drei- bis vierhundert. Vielleicht mehr.«
    Ich zuckte zusammen, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen. Es fühlte sich ähnlich an wie der Schmerz, den Cerrin nach dem Verlust seiner Gemahlin und seiner Töchter verspürt hatte. Ähnlich, aber nicht gleich: Dieser Schmerz ging nicht so tief.
    »Und die Garde?«
    »Ein Drittel der Soldaten ist bei dem Angriff gefallen, ungefähr achtzig Mann.«
    Ich senkte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen; dann machte ich mich wieder daran, Steine zu sammeln. Ich hatte gewusst, dass die Verluste schlimm gewesen waren,denn ich hatte die öligen, schwarzen Rauchsäulen gesehen, die von den Viehhöfen im Osten der Stadt aufgestiegen waren, wo man die Leichen verbrannt hatte, um die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Einige der Verbrannten waren Chorl gewesen.
    Vier Tage lang hatte der fette Rauch den Himmel verpestet.
    »Was gibt es sonst noch?«, erkundigte ich mich und verdrängte das schaurige Bild aus meinem Kopf.
    »Wie von Euch befohlen, haben wir den Großteil der Straßen zwischen hier und dem Kai geräumt. Zurzeit lasse ich die Wachtürme inspizieren, um festzustellen, welche Instandsetzungsarbeiten notwendig sind. Die Baumeister beraten sich bereits, wie die drei Tore und die Mauern wiederaufgebaut werden sollen.«
    »Gut«, sagte ich.
    »Warum eigentlich?«
    Ich hielt inne und wischte mir den Schweiß von der Stirn, der sich mit Steinstaub vermischt hatte. Das Hemd klebte mir am Rücken, das Haar hing mir in verschwitzten Strähnen ins Gesicht. »Was meint Ihr?«
    »Warum bauen wir die Wachtürme und die Mauern wieder auf, obwohl wir wissen, wie mühelos die Chorl sie zerstören können?« Er deutete mit der heilen Hand auf das Geröll. Seine Miene wurde finster. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere und konnte mir nicht mehr ins Gesicht schauen. »Warum die Mühe?«
    Seine Verbitterung und die Furcht, die sich dahinter verbarg, verwirrten mich.
    Dann fiel es mir wieder ein: Avrell hatte während des Gefechts auf einer der Mauern gestanden, den Vormarsch der Chorl beobachtet und hilflos zusehen müssen, wie die Mauer unter ihm eingestürzt war. Er hatte mit knapper Not fliehen können, ehe der geborstene Stein ihn unter sich begraben konnte.
    »Weil …«, setzte ich an und zögerte. Avrell brauchte mehr als eine oberflächliche Antwort.
    Ich trat auf ihn zu und blickte ihm mit ernster Miene in die Augen. »Weil die Chorl zurückkehren werden, Avrell. Und ihre Krieger können von den Mauern, Wachtürmen und Toren aufgehalten werden. Beim letzten Mal wurden die Mauern von der Ochea und ihren Begabten zerstört, aber die Ochea ist tot.«
    »Es wird eine andere Ochea geben«, entgegnete Avrell heiser.
    »Aber beim nächsten Mal werden wir besser auf sie und die Begabten der Chorl vorbereitet sein. Dank Darryns Ausbildung werden die Bürger sich besser gegen die Chorl-Krieger verteidigen können. Ich selbst habe in der Zwischenzeit einige Dinge über die Chorl und ihre Begabten erfahren. Und ich beabsichtige, noch mehr in Erfahrung zu bringen.«
    Ihm entging nicht, dass ich besonderes Gewicht auf den letzten Satz legte. Zuerst schaute er verwirrt drein; dann nickte er, als ihm klar wurde, worauf ich hinauswollte.
    Wir hatten in den Trümmern Amenkors nicht nur Tote gefunden, sondern auch Gefangene gemacht. Doch nur Keven, Eryn, Avrell, Catrell und Westen, der Hauptmann der Sucher, wussten davon – auch die Sucher und Begabten, die sie bewachten, und natürlich die Gardisten, die sie entdeckt hatten.
    Avrell schaute mich an und nickte.
    »Was ist mit dem
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