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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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Frieden der Küste zerstört hatten.
    Olivia spürte, wie sich mein Körper unter ihren Händen anspannte. Ich wusste es, weil ihr Lächeln schwand und sie das Gesicht dem Hafen zuwandte. Eine ihrer Hände wanderte auf meine Brust und verweilte dort.
    Schweigend standen wir da. Jaer und Pallin hatten sich hinter uns an den Tisch gesetzt und machten sich über das Essen her. Der Streit wegen der versengten Haare schien vergessen zu sein. Der Wind säuselte durch die langen, dünnen Blätter der Topfpflanzen. Irgendwo kreischte eine Möwe.
    Doch nichts geschah. Es gab keine Explosionen, keine Feuer, keine Toten. Im Hafen unten nahm das gewohnte Leben seinen Lauf.
    »Cerrin, was ist?«, fragte Olivia erneut, und ich hasste die Besorgnis und die Angst, die in ihrer Stimme mitschwangen.
    Wo waren die Chorl? Wo ihre Begabten, ihre Priester, ihre Krieger?
    Ich schaute zu Olivia hinunter, und sie drehte mir den Kopf zu, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte, ihre Augen. Ich nahm den leichten Zitronengeruch ihres Duftwassers wahr.
    Und dann begriff ich.
    Dies war der Thron. Dies war die Zuflucht, die ich für mich geschaffen hatte. Ein Versteck vor dem Schmerz des Verlustes, vor dem Kummer.
    Ich entspannte mich. Die Beklommenheit floss aus mir ab wie Wasser. Ich hob die Hand und strich Olivia die Haare aus der Stirn, wohin die Brise ein paar Strähnen geweht hatte. Dann legte ich die Finger zärtlich um ihren Hinterkopf.
    »Nichts«, erwiderte ich, beugte mich vor und küsste die Besorgnis von ihrem Mund und die Runzeln von ihrer Stirn.
    »Also isst du mit uns?«, fragte sie, als ich sie losließ.
    »Ja, ich esse mit euch. Ich bleibe hier bei dir, Pallin und Jaer. Den ganzen Nachmittag.«
    »Aber was ist mit dem Rat? Was ist mit den Sieben?«
    Ich ergriff ihre Hand und zog sie zum Tisch. »Der Rat kann warten.«

    »Amenkor voraus!«
    Alle an Bord der Trotzig scharten sich an der Reling und reckten die Hälse, um die Ersten zu sein, die den Hügel und die Mauern der Stadt oder den Turm des Palasts erspähten. Als der verschwommene Umriss einer Landmasse den vorspringenden Armen wich, die den Hafen umschlossen, brach Jubel aus, in dem sich die Stimmen der Gardisten und der Besatzung vermischten. Jemand stimmte ein Tanzlied an, jemand anders holte eine Fiedel hervor und begann ungestüm zu spielen.
    Als die Wachtürme in Sicht gerieten, lächelte ich und spürte,wie mir etwas die Brust zuschnürte und mir in den Augen brannte.
    Jemand legte mir die Hand auf die Schulter.
    Erick.
    Wir beobachteten, wie die Mauern sich näherten; dann runzelte er die Stirn. »Das sind neue Wachtürme.«
    Ich lachte. »Ja. In Amenkor wird dir vieles verändert erscheinen.«
    William trat an meine Seite, und Erick nahm die Hand von meiner Schulter. Er bedachte mich mit einem bedeutungsvollen Blick, ehe er davonging, während William sich auf die Reling stützte.
    »Regentin.«
    »Meister William.«
    Wir blickten einander in die Augen. Ich grinste und stieß ihn mit der Schulter an.
    Dann gelangten wir durch die schmale Einfahrt zwischen den Wachtürmen hindurch. Ein Kribbeln durchlief mich, und ich sog scharf die Luft ein.
    Varis.
    William richtete sich neben mir auf und schaute verwirrt drein. »Was ist?«
    Ich schauderte und schüttelte mich. »Ich weiß es nicht. Einen Augenblick dachte ich …«
    »Was?«
    Ich blickte William in die Augen und erkannte Besorgnis darin. »Ich dachte, ich hätte eine Stimme gehört. Eryns Stimme.«
    Williams Verwirrung wuchs, doch vor uns erklang nun Glockengeläut, das sich von den Wachtürmen durch die Stadt ausbreitete. Als die Trotzig ans Dock trieb, während die uns begleitenden, eroberten Chorl-Schiffe draußen in der Bucht blieben, schwoll der Lärm an. Menschen säumten den Kai, winkten und riefen zur Begrüßung. Ich beobachtete, wie sich ein Trupp Gardistendurch die Menschenmenge zum Dock drängte, angeführt von Darryn und Nathem.
    Mein Magen krampfte sich zusammen.
    William schnappte nach Luft, und ich drehte mich um.
    »Sieh nur!«, rief er und deutete zu einem der anderen Docks.
    Dort lag ein Schiff verzurrt, allerdings glich es keinem, das ich je gesehen hatte. Es war größer und breiter, und der Rumpf ragte mindestens eine Mannshöhe weiter aus dem Wasser als bei Bullicks Schiff. Und es hatte mehr Segel.
    Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ein weiteres Schiff, und an den Docks dahinter lagen noch mehr. Allerdings schienen nur die beiden Schiffe, die der Trotzig am nächsten lagen,
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