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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin
Autoren: Joshua Palmatier
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Schluchzen war leiser geworden. Zwar nahm ich noch Verletzlichkeit und Kummer bei ihm wahr, doch an die Stelle des Bedauerns, der Niedergeschlagenheit und der Enttäuschung war nun Erschöpfung getreten.
    Er öffnete die Augen und richtete den Blick auf mich.
    Nein. Du bist früh genug gekommen.
    Schaudernd versuchte ich, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken. Ich brachte kein Wort hervor.
    Varis. Seine Stimme kippte vor Schmerz. Er schloss die Lider, zuckte zusammen und schlug die Augen wieder auf. Er wirkte hart und unerbittlich – die Essenz eines Suchers, eines Meuchlers. Sorge dafür, dass es aufhört, Varis. Tu, was du tun musst, aber lass es enden.
    Wieder schloss er die Augen und zog sich in sich selbst zurück, in die Schutzhülle, in der er sich versteckte, seit das Handelsschiff namens Jungfer geentert worden war und Erick der Ochea und Haqtl in die Hände fiel.
    Ich kehrte in das Feuer zurück, und das Gefühl stechender Nadeln ließ nach. Ich stieß mich empor und erhaschte einen flüchtigen Blick auf meinen Körper, der auf dem hastig an Ericks Bett geschobenen Stuhl saß. Dann sank ich zurück in mich selbst.
    Ich sog scharf die Luft ein, spürte Krämpfe in den Armen und schmeckte das Salz meiner Tränen. »Bei den Göttern!«
    »Regentin«, sagte Keven, trat vor und kniete sich an meine Seite. Ich wollte eine Hand ans Gesicht heben, um das letzte Empfinden brennender Haut wegzureiben, das ich von Erick mitgenommen hatte, und um mir die Tränen abzuwischen, doch mein Arm war zu schwer.
    »Regentin, geht es Euch nicht gut?«
    »Lass mir einen Augenblick Zeit«, gab ich zurück. Meinen Geist für so kurze Zeit und über eine so kurze Entfernung auszusenden, hatte mich noch nie so tief erschöpft.
    Ich verzog das Gesicht. Es lag am Thron. In den vergangenen Monaten hatte ich zur Unterstützung mehr Kraft vom Thron bezogen, als ich gedacht hatte. Ich hatte mir angewöhnt, mich darauf zu verlassen. Künftig würde ich vorsichtig sein müssen. Wenn ich unüberlegt handelte und darauf baute, dass der Thron mir den Rücken stärkte, konnte ich mich leicht vorunlösbare Aufgaben stellen, zumal es den Thron nicht mehr gab.
    »Hier.«
    Ich schaute auf. Allein schon den Kopf zu heben fiel mir schwer.
    Die Begabte hielt mir eine dampfende Tasse Tee hin, der berauschend duftete. Ich lächelte und trank einen Schluck, als sie mir die Tasse an die Lippen setzte. Der Tee wärmte und kräftigte meine Glieder. Das Zittern in meinen Armen legte sich.
    Die Begabte nickte, als ich genug Kraft aufbrachte, um die Tasse von ihr entgegenzunehmen. Hinter ihr und Keven zappelte Isaiah, die schmalen Züge vor Sorge verkniffen.
    »Was habt Ihr herausgefunden?«, fragte der Heiler knapp.
    Keven bedachte ihn mit einem finsteren Blick, den Isaiah jedoch nicht zu bemerken schien.
    »Er hat starke Schmerzen«, antwortete ich.
    Isaiah runzelte die Stirn, schob sich an Keven vorbei und beugte sich über Erick. »Was für Schmerzen? Woher kommen sie? Ich konnte keine inneren Verletzungen feststellen, und auch keine Knochenbrüche, abgesehen von der Rippe, die ich bereits gerichtet habe. Ist es die Leber? Die Milz? Blutet er innerlich? Ist es …«
    »Es ist nichts von alledem«, schnitt ich ihm das Wort ab. Mit einem Mal erinnerte ich mich an das Schiff der Chorl, auf dem ich Erick gefunden hatte. Sein Körper hatte auf dem Boden der Kabine gelegen, die von der Ochea bewohnt worden war, und unvorstellbare Qualen durchlitten. Die Kabine hatte im Rhythmus des Wellengangs geschaukelt. Ich erinnerte mich, wie ich mühsam eines seiner Augen geöffnet und die seidenen Wandbehänge sowie die auf dem Boden verstreuten Kissen erblickt hatte, die allesamt verschiedene Blau-, Grün- und Goldtöne aufwiesen.
    Und ich erinnerte mich an den Chorl-Priester, der Erick bewacht hatte. Der Mann hatte ihn verhöhnt in dem Glauben, eswäre Erick, der ihn anschaute, nicht ich. Doch als der Priester in Ericks Augen plötzlich meine Wut auf ihn und sein Volk gesehen hatte, legte er hastig eine Decke aus brennenden Nadeln über Erick, die sich in geschmolzene Pein verwandelt hatte – eine so fürchterliche Qual, dass sie Erick beinahe getötet hätte.
    Ja, der Priester hatte ihn an den Rand des Todes getrieben und sich dann zurückgezogen, indem er den Druck löste, den er auf den Fluss ausgeübt hatte, worauf die Schmerzen verflacht waren.
    Mein Blick verdüsterte sich, und ich schaute Isaiah in die Augen. »Es ist der Fluss«, sagte ich. Isaiah
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