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Der Verrat: Thriller (German Edition)

Der Verrat: Thriller (German Edition)

Titel: Der Verrat: Thriller (German Edition)
Autoren: Val McDermid
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Erster Teil
    Flucht
    1
    O’Hare Airport, Chicago
    S tephanie Harker konnte sich noch erinnern, dass das Fliegen früher einmal eine aufregende Sache gewesen war. Sie schaute auf den fünfjährigen Jungen hinunter, der an dem Absperrband herumspielte, das zwischen den Ständern gespannt war; dahinter begann die lange Schlange der auf die Sicherheitskontrolle Wartenden. Jimmy würde jenes prickelnde Gefühl nie kennenlernen. Er würde damit aufwachsen, dass er Fliegen mit Langeweile und mit dem zunehmenden Missvergnügen verband, das einem Leute verursachten, die teilnahmslos, desinteressiert oder einfach unhöflich waren. Jimmy schien zu spüren, dass ihr Blick auf ihm ruhte, und schaute mit einem zaghaften und skeptischen Ausdruck nach oben. »Können wir heute Abend schwimmen gehen?«, fragte er in einem Tonfall, in dem die Erwartung einer abschlägigen Antwort mitschwang.
    »Na klar können wir das«, beruhigte ihn Stephanie.
    »Auch wenn das Flugzeug Verspätung hat?« Ihre Antwort hatte seine Befürchtungen wohl nicht zerstreut.
    »Auch wenn das Flugzeug Verspätung hat. Zu dem Haus gehört ein Pool. Gleich vor dem Wohnzimmer. Es ist egal, wie spät wir ankommen, du kannst noch schwimmen gehen.«
    Er zog die Stirn kraus, sann über ihre Antwort nach und nickte. »Okay.«
    Sie schoben sich ein paar Schritte weiter. Diese Prozedur des Umsteigens von einem Flieger in den anderen reizte Stephanie bis zur Weißglut. Wenn man in den USA mit dem Flugzeug ankam, war man ja schon mindestens einmal durch die Sicherheitskontrolle geschleust worden. Zuweilen zweimal. In den meisten anderen Ländern musste man sich vor einem Anschlussflug nicht noch einmal einer zweiten Kontrolle unterziehen. Man befand sich ja schon im Vorfeldbereich, war durch die Behörden überprüft und für ungefährlich befunden worden. Da gab es doch keine Notwendigkeit, das ganze Theater noch mal durchzuziehen.
    Aber Amerika war eben anders. Amerika war immer anders. Sie hatte den Verdacht, dass man in Amerika keinem anderen Land auf dem Planeten zutraute, eine anständige Flughafensicherheit garantieren zu können. Wenn man also in den Vereinigten Staaten landete und umsteigen musste, war man gezwungen, vom Vorfeldbereich zum Abfertigungsbereich zu gehen, und – na toll! – sich noch einmal der gleichen Prozedur zu unterziehen, die man bereits hinter sich gebracht hatte, bevor man den ersten verdammten Flieger hatte besteigen dürfen. Manchmal wurde einem dabei sogar die erstklassige, extra günstige Flasche Wodka aus dem Duty-free-Shop wieder abgenommen, weil man vergessen hatte, dass noch eine zweite Sicherheitskontrolle bevorstand. Sogar Flüssigkeiten, die man in einem verflixten Flughafen gekauft hatte, kassierten sie dann wieder ein! Die Mistkerle!
    Als wäre das nicht schon ärgerlich genug, kam die neueste amerikanische Version des Abtastens bei der Sicherheitskontrolle schon ziemlich nah an das heran, was Stephanie als sexuelle Belästigung empfand. Wegen der Schrauben und der Platte, die seit zehn Jahren ihr linkes Bein zusammenhielten, kannte sie sich inzwischen gut aus mit der Gründlichkeit des Personals bei der Sicherheitskontrolle. Das Vorgehen der Frauen, die sich nach dem Piepsen und Blinken des Metalldetektors an ihr zu schaffen machten, war in keiner Weise logisch und konsequent. Das eine Extrem – wie vor einigen Jahren in Madrid – war, dass man sie weder abgetastet noch mit dem Scanner überprüft hatte. In Rom war man oberflächlich gewesen, in Berlin effizient. Aber in den USA grenzte die Gründlichkeit an Anstößigkeit; Handrücken strichen über den Busen und knufften gegen die Scham wie ein tolpatschiger Jüngling. Es war peinlich und demütigend.
    Wieder ein paar Schritte weiter. Aber jetzt bewegten sich die Wartenden stetig voran. Langsam, aber stetig. Jimmy duckte sich an dem Punkt, wo sich die Schlange um die Markierung herumwand, unter dem Absperrband durch und hüpfte auf den Platz vor ihr. »Ich bin vor dir dran«, sagte er.
    »Na dann.« Stephanie ließ das Handgepäck einen Moment los und verstrubbelte sein dichtes schwarzes Haar. Zumindest lenkten die Unannehmlichkeiten der Reise sie von den Sorgen ab, die sie sich wegen der Ferien mit ihrem Sohn machte. Nervös blähten sich ihre Nasenflügel, als ihr dieser ungewohnte Ausdruck durch den Kopf ging. Ferien mit ihrem Sohn. Wie lange würde es dauern, bis das nicht mehr seltsam, fremdartig und unmöglich klang? In Kalifornien würden sie unter normalen
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