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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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freundlich zu ihr. Und ging es ihr im Kloster etwa schlecht? Gewiß nicht. Aber sie wollte endlich einmal wissen, warum …
    Sie war so allein, so verzweifelt allein auf der Welt. Es gab keinen Menschen, der zu ihr gehörte, und sie sehnte sich so sehr nach Zuneigung. Sie war hungrig auf das Leben, hungrig auf Liebe, aber es gab keinen, der sie liebhatte. Keine Mutter, keinen Vater, keine Geschwister – nur die Freundschaft zu Teresa, die ihr so überlegen war. Eine Freundschaft, die enden würde, wie sie begonnen hatte, das wußte Virginia sehr genau, nämlich dann, wenn Teresa die Klosterschule verließ und ihr eigenes so erfolgversprechendes und abwechslungsreiches Leben begann.
    Es war vier Jahre her, da hatte Virginia im Wald, nahe dem Kloster, ein kleines halbverhungertes Kätzchen gefunden. Es war Winter, sie nahm das Tier mit, wärmte und fütterte es und war so selig wie nie zuvor in ihrem Leben, denn da war endlich ein Wesen, das sie liebhaben durfte und das diese Liebe erwiderte, mit Schmeicheln und Schnurren, mit Wärme und Leben. Sie durfte das Kätzchen nicht behalten, die Oberin erlaubte es nicht. Sehr freundlich, aber bestimmt wurde ihr klargemacht, daß es leider nicht möglich sei, denn wenn jedes Mädchen ein Tier bei sich hätte, so würde man bald einen Zoo im Haus beheimaten. Für das Kätzchen wurde im Ort ein guter Platz gesucht, sie durfte es auch besuchen, aber was half ihr das, es war nicht mehr ihr Gefährte, es lebte bei anderen Menschen, zu denen gehörte es, die liebte es.
    Sie hatte sich damals sehr unvernünftig und kindisch aufgeführt, sie weinte und bockte, wollte nicht mehr essen, war unansprechbar, bis man sie sehr energisch zurechtwies.
    Schwester Serena tröstete sie.
    »Ich darf niemanden liebhaben«, schluchzte Virginia. »Und mich hat auch niemand lieb, ich will nicht mehr leben.«
    »Aber wir haben dich doch alle lieb. Wir alle hier. Und der Herr Jesus. Vergißt du ihn ganz? Er hat dich vor allem lieb. Und du liebst ihn doch auch zu jeder Stunde. Nicht wahr, Virginia, das tust du doch?«
    Was hatte der Herr Jesus damit zu tun, daß sie ein kleines Kätzchen im Arm halten und streicheln wollte, daß es nachts zu ihren Füßen auf dem schmalen Lager schlafen sollte? Sie konnte in dem Herrn Jesus nicht das finden, was Schwester Serena offenbar in ihm gefunden hatte. Er konnte nicht der Ersatz für alles sein.
    »Wenn der Herr Jesus mich liebhätte«, sagte sie trotzig, »dann hätte er gemacht, daß ich mein Katzerl behalten darf.«
    Sie blickte ihren Vater an, und ihre Augen schienen auf einmal grüner zu sein als zuvor.
    »Danke, nein, ich kann nichts mehr essen. Es war ein sehr großes Stück Kuchen.«
    »Tja, hm, dann«, machte der Oberst und ließ den Blick über die Terrasse schweifen, die inzwischen voll besetzt war. Wo die Leute bloß alle herkamen? Müßte eigentlich schön sein, hier Urlaub zu machen, in dieser Ruhe und dieser … dieser, ja, wie sollte man das nennen, dieser Harmonie. Er hatte seit zwei Jahren keinen Urlaub gemacht, es reizte ihn nicht, mit seiner Frau zu verreisen. Sie fuhr nach Florida, zu Bekannten, nahm ihre Söhne mit. Er hatte Hemmungen, in die Staaten zu reisen. Gut, der Krieg war über zwanzig Jahre vorbei, aber er war Offizier gewesen, Hitlers Offizier, er hatte lange Zeit in einem amerikanischen Lager gesessen, und man hatte ihn behandelt wie einen Verbrecher. Nein, er wollte nicht nach Florida, er wollte überhaupt nirgends hin, er blieb zu Hause und arbeitete.
    Es wäre an der Zeit, ein ernsthaftes Gespräch zu beginnen. Etwa so: Was hast du vor, Virginia, wenn du mit der Schule fertig bist, hast du irgendwelche Pläne? Vielleicht könntest du …
    Er fand die richtigen Worte nicht, stellte statt dessen ein paar Fragen nach der Schule, nach den verschiedenen Fächern, was sie für Fortschritte gemacht hatte, und dann auf einmal war sie es, die anfing, von dem Thema zu sprechen, das er so ängstlich vermied.
    »Da wir gerade davon sprechen«, sagte sie und gab sich große Mühe, mit fester Stimme und einer gewissen Sicherheit das auszusprechen, womit sie sich dauernd beschäftigte, »später, meine ich, wenn ich hier fertig bin – ich würde gern eine Kunstakademie besuchen.«
    Dem Oberst fiel fast die Zigarre aus der Hand. »Eine was?«
    »Na ja, ich meine eine Kunstschule oder so etwas«, ihre Sicherheit geriet ins Wanken. »Wo man das alles lernen kann.«
    »Was willst du lernen?«
    »Wir haben doch gerade davon gesprochen, und
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