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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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du hast mich gefragt, was ich am besten kann und was ich am liebsten tue.«
    »Du sagtest, zeichnen und malen.«
    »Ja! Das habe ich gesagt.«
    »Soll ich das so verstehen, daß du daraus einen Beruf machen willst?«
    Sie nickte.
    Es fiel ihm ein, daß in den Berichten der Oberin einige Male von gewissen künstlerischen Fähigkeiten Virginias die Rede gewesen war. ›Sie ist eine gute Beobachterin, und es gelingt ihr, das, was sie sieht und was sie dabei empfindet, mit erstaunlicher Intensität darzustellen.‹
    Diesen Satz hatte er sich gemerkt, weil er ihm unverständlich, aber irgendwie bedeutungsvoll vorgekommen war. Ein anderes Mal hatte die Oberin geschrieben, daß man Virginia immer damit beauftrage, die Kirche für Fest- und Feiertage zu schmücken, da niemand es so gut verstehe wie sie.
    Er hatte sich damals gedacht, daß in den Briefen an ihn ja immer etwas stehen mußte und daß die Oberin vermutlich nicht jedesmal das gleiche schreiben wollte. Womit er die Oberin ganz falsch einschätzte. Wenn es ihr so beliebte, beschränkte sie sich immer auf die gleichen zehn Zeilen.
    »Du willst doch nicht etwa behaupten, daß du Malerin werden willst?«
    Das klang so verächtlich, daß Virginia errötete, diesmal vor Ärger.
    »Ich würde mir nie anmaßen, zu behaupten, daß ich eine wirkliche Künstlerin werden könnte. Ich meine nur, daß ich gern auf diesem Gebiet arbeiten würde. Es gibt ja sehr viele Möglichkeiten. Grafik zum Beispiel, Illustrationen, Buchumschläge, Modezeichnen …«
    Weiter kam sie nicht.
    »Mode!« Er spuckte das Wort geradezu aus. »Es ist mir unbegreiflich, wie man in einem Kloster auf solche Ideen kommen kann.«
    »Ich bin ja schließlich nicht im Kloster, sondern in einer Klosterschule. Unsere Erziehung ist sehr modern und aufgeschlossen«, sagte sie tapfer. »Wir leben hier nicht hinter dem Mond. Ich natürlich, ich komme ja nirgends hin. Fast alle Mädchen, die hier sind, waren schon in einer Ausstellung oder in einem Museum. Sie werden von ihren Eltern mitgenommen, in den Ferien. Meine Freundin Teresa zum Beispiel war schon im Louvre, sie kennt den Prado und das Rijksmuseum in Amsterdam und die Pinakothek in München und …«
    Sie verstummte. Teresa war wirklich kein Beispiel, sie war die Ausnahme von der Regel. Und es war überhaupt töricht, von Teresa zu sprechen zu einem Menschen, der Teresa nicht kannte. Sie benahm sich höchst kindisch, das war ihr klar.
    Ihr Vater blickte sie stumm an, sie las in seinen Augen Ablehnung, Spott.
    »Schwester Borromea hat gesagt, sie wird einmal mit mir nach Wien fahren und in die Oper gehen und ins Burgtheater und … du müßtest das natürlich erlauben, und in alle Museen und …«
    »Warum nicht gleich auf den Opernball«, unterbrach er sie sarkastisch. »Wer ist denn diese seltsame Schwester Borromea?«
    »Unsere Kunsterzieherin. Sie sagt … sie sagt …« Angeborene und noch mehr die anerzogene Bescheidenheit ließen sie stocken, aber dann vollendete sie den Satz. »Sie sagt, ich bin begabt, und ich müßte eine richtige Ausbildung haben.«
    Virginia verstummte und schluckte. Ihr Blick irrte über die Terrasse. Ihr war heiß vor Schreck, daß sie das alles gesagt hatte, doch gleichzeitig war sie froh, daß sie es gesagt hatte.
    Ihr Vater schwieg eine Weile, sein Blick ging an ihr vorüber. Sie konnte nicht ahnen, daß er mit einem Lachen kämpfte. Kein gutes Lachen allerdings. Er dachte an Mechthild, seine Frau, was für ein Gesicht die machen würde, wenn er ihr erzählte: Virginia wird eine Kunstakademie besuchen. Sie hat großes Talent und wird Künstlerin.
    In Essen, fiel ihm auch noch ein, in Essen gab es doch eine berühmte Schule dieser Art. Dann würde sie ganz in ihrer Nähe sein.
    Seine Laune hatte sich jäh gebessert. Er winkte der Bedienung, bestellte noch einen Kaffee und einen doppelten Kirsch dazu.
    »Für dich auch?« fragte er Virginia.
    »Ja, gern. Einen kleinen Braunen.«
    »Keinen Kirsch?«
    Sie blickte ihn unsicher an.
    Er nickte dem jungen Mädchen im Dirndl zu.
    »Für die Dame auch einen Kirsch.«
    Als die Bedienung gegangen war, sagte er: »Wenn du nun schon achtzehn bist und dazu noch so fabelhafte Pläne entwickelst, kannst du auch ruhig mal einen Schnaps trinken. Oder willst du behaupten, ihr hättet das in eurer Schule noch nie getan? Du bist ja nicht im Kloster, hast du gesagt, und Taschengeld bekommst du auch, da werdet ihr ja wohl dafür gelegentlich etwas einkaufen. Weißt du, ich bin auch in solch
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