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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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sie noch einmal, zärtlich, auf die Wange.
    »Ich bin ein Esel. Entschuldige, Virginia. Ich will gern noch ein wenig warten. Aber was meinst du? Später vielleicht? Falls ich dir nicht direkt unsympathisch bin.«
    »Das bist du mir gewiß nicht.«
    »Gute Nacht, Virginia. Verschieben wir die Angelegenheit ein wenig, ja? Schlaf gut.«
    Er sah ihr nach, bis sie in ihrem Zimmer verschwunden war, hörte, wie sie den Schlüssel umdrehte.
    Er lachte leise vor sich hin, als er die Schuhe auszog. Juschi würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er ihr die kleine Unschuld nicht unversehrt ins Haus brachte.
    Aber das galt nur für diesmal.
    Virginia ging noch nicht gleich zu Bett. Sie streichelte die Katze, die bereits am Fußende des Bettes schlief, dann öffnete sie das Fenster. So groß und hell wie oben auf der Ferme waren die Sterne hier nicht. Die Luft nicht so frisch, nicht erfüllt von würzigem Duft.
    Sie war vernünftig genug einzusehen, daß sie auf der Ferme nicht ihr Leben verbringen konnte. Dido war ja auch fortgegangen. Für immer, wie sie gesagt hatte. Der Abschied war ihr schwergefallen, das hatte Virginia sehr wohl gemerkt. Doch Dido war nicht allein, sie hatte Alain. Wie gut sie zueinander paßten, die gleichen dunklen blitzenden Augen, das dunkelbraune Haar, die stolze Haltung.
    Was könnte ich je für Alain sein, wenn er Dido hat?
    In Wirklichkeit wußte Virginia nichts von diesen beiden, es war nur Gegenwart gewesen, keine Vergangenheit, keine Zukunft. Nicht einmal, daß Alain Didos Bruder war und nicht ihr Mann, hatte sie erfahren. Und sie konnte auch nicht wissen, daß die Dido, die sie kennengelernt hatte, eine andere war als die Dido vom Tag zuvor. Aber es war die wirkliche, die echte Dido, die sie erlebt hatte? Sie wußte auch nicht, daß Alain in derselben Nacht gekommen war wie sie selbst – nichts wußte Virginia, gar nichts. Aber es ging nicht um Wissen, es ging um Gefühl. Das Zusammensein mit diesen beiden Menschen, so kurz die Zeit gewesen war, hatte ihr Herz so tief berührt, ihr Leben so reich gemacht, daß sie es nie vergessen würde. Daß die Sehnsucht nach der Ferme, nach Dido, nach Alain, nie vergehen würde.
    Was war alles geschehen in wenigen Wochen? Sie war aus dem Kloster weggelaufen, hatte alles im Stich gelassen, sie hatte keinen Vater mehr, aber eine Mutter, es gab Menschen, die ihre Freunde sein wollten, aber trotz allem war ihr bange vor der Zukunft. An das Kloster wollte sie nicht mehr denken, denn ein schlechtes Gewissen, ein Gefühl der Schuld waren unvermeidlich und bedrückten sie. Der Gedanke, nun in eine neue Schule gehen zu müssen, war höchst beängstigend. Eigentlich wollte sie gar nicht mehr in die Schule gehen. Und sie fürchtete sich vor der neuen Umwelt; so lieb Juschi und Clemens auch waren, es waren fremde Menschen, auch die Aussicht, zu einer Familie zu gehören, was Clemens ihr so anschaulich geschildert und was sie sich immer gewünscht hatte, erfüllte sie nicht mit großen Erwartungen oder gar Freude. Eine Fremde würde sie dort sein.
    Ebensogut hätte sie bei ihrer Mutter bleiben können in diesem schönen Haus. Doch diese Mutter war auch eine Fremde. Und sie wollte auf keinen Fall dort zusammen mit Danio leben. Noch immer war seine Rolle in diesem Spiel für sie unverständlich.
    Sie hob die Hände in einer hilflosen Gebärde und legte sie an beide Wangen. Ihre Wange war heiß, ihr Herz krank vor Sehnsucht. Alain sollte sie noch einmal küssen. Dido ihr einen bunten Rock geben, in dem sie unter einem Baum sitzen und malen konnte. Sie wollte die Ziegen aus dem Stall führen und später Dido beim Kochen helfen. Abends saßen sie unter dem hohen Himmel mit den klaren Sternen und tranken Wein. Bis Alain ihr das Glas wegnahm.
    »C'est assez pour une jeune fille.«
    Ihre Augen standen voll Tränen, als sie sich endlich vom Fenster löste. Sie zog sich langsam aus, und als sie ins Bett ging, nahm sie die Katze in den Arm.
    »Ich bin schon einmal weggelaufen, Cattie. Ich werde wieder weglaufen. Nur du darfst mitkommen. Vielleicht wenn ich soviel gelernt habe, daß ich ein wenig Geld für uns verdienen kann. Viel brauchen wir ja nicht, Cattie, wenn wir die Ziegen haben und die Hühner, und Chariot bringt uns Pilze und Beeren. Wie er sich freuen wird, wenn er dich wiedersieht.«
    Ein Kind war sie, immer noch ein Kind. Darum durfte sie auch träumen.
    »Ich schwöre dir, Cattie, ich werde ihn finden, den Weg zur Ferme Confiance. Ganz von selbst werden meine
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