Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
immer hier zu leben. Mutter? Es war ein fremdes Wort gewesen, würde es bleiben. Aber das sollte sie ja auch gar nicht sagen. Anita also. Ihre Mutter, die Anita hieß. Sie war tot gewesen. Aber nun lebte sie.
    Wie konnte Juschi nur denken, sie könne in die Klosterschule zurückkehren, mit diesem ganzen Ballast ungeklärter und nicht erklärbarer Vergangenheit? Es begann damit, daß sie den Mann, den sie Vater genannt hatte, als Lügner hinstellen mußte. Bisher wußte sie noch gar nicht, warum er ihre Mutter, seine Frau, einfach für tot erklärt hatte. Weil er sie so gehaßt hatte? Weil sie ihm Böses angetan hatte? Sie hatte ein Kind zur Welt gebracht, dessen Vater ein anderer Mann war. Und dann hatte sie den Mann, der ihr Mann war, verlassen, und das Kind ließ sie einfach bei ihm zurück. Das Kind, das nicht sein Kind war. Das war doch alles nicht zu verstehen, und irgendwann würde Anita ihr das vielleicht ein wenig genauer erklären. Soweit es eben erklärbar war.
    Ich werde das von ihr verlangen, dachte Virginia. Es ist mein Recht, daß ich es weiß.
    Und sie war sich gleichzeitig klar darüber, daß sie es gar nicht wagen würde, dieser schönen Unbekannten so intime Fragen zu stellen. Und ob die Antworten, falls sie welche bekam, der Wahrheit entsprachen, war auch höchst ungewiß.
    Aber sie muß mir sagen, wer mein Vater ist. Das kann ich verlangen.
    Aber es war einfach unmöglich, mit diesem wirren Leben in die geregelte Ordnung des Klosters zurückzukehren. Sie würde bockig alle Fragen zurückweisen und nicht beantworten, weil sie sie gar nicht beantworten konnte.
    Das Kloster also nicht.
    Anita. Vielleicht würde es möglich sein, ihr näherzukommen, mit ihr leben zu können. Sie kannte sie nun gerade seit einem Tag. Aber da war Danio. Den wollte sie heiraten. Und er war ständig sehr liebevoll um sie bemüht. Das war doch nun wieder etwas, was nicht zu verstehen und zu erklären war. Liebte Danio Anita? Es sah so aus. Aber welche Rolle hatte Dido in Danios Leben gespielt?
    »Du darfst nie über Dido sprechen. Ihren Namen niemals nennen«, hatte Danio ihr eingeschärft, als sie die Ferme verlassen hatten. »Du darfst die Ferme nie gesehen haben, und du wirst nicht erfahren, wo sie sich befindet.«
    Wer sollte das denn verstehen? Und wer konnte ihr das erklären? Dabei war es gerade Danio, der sich nicht als Lügner herausgestellt hatte. Er hatte getan, was er von Anfang an gesagt hatte: Ich bringe dich zu deiner Mutter.
    Aber warum hatte sie sich gestern auf einmal vor ihm gefürchtet? Und warum fürchtete sie sich immer noch vor ihm? Ja, das war es, sie fürchtete sich vor ihm. Nur wegen dieses Kusses? Er war mit keinem Wort darauf zurückgekommen, kein Blick und keine Geste ließen auch nur die Spur von Zuneigung erkennen. Er war viel freundlicher gewesen auf der langen Autofahrt damals, und in der Nacht, als sie in der Ferme ankamen.
    Mia Poveretta, so hatte er sie genannt, und das klang zärtlich. Seit sie hier in diesem Haus angekommen waren, beachtete er sie kaum. Was war zwischen sie getreten, daß er so fremd geworden war?
    Fragen, nichts als Fragen.
    Aber sich vorzustellen, daß sie hier in diesem Haus leben sollte, tagaus, tagein, und Danio würde dann gewissermaßen ihr Stiefvater sein, also das war eine geradezu lächerliche Vorstellung. War sie denn in Danio verliebt?
    Virginia fuhr so heftig auf, daß Cattie zur Seite kugelte und fauchte.
    Mit wilden Augen starrte Virginia vor sich hin.
    Liebe? Es hatte sich nicht das geringste geändert. Da war niemand, der sie liebhatte. Und da war keiner, den sie lieben konnte. Sie griff nach Cattie, nahm sie fest in die Arme.
    »Dich hab ich lieb«, flüsterte sie. Doch es stimmte gar nicht, was sie dachte. Sie belog sich selbst. Es gab Menschen, die sie liebte.
    Virginia stand auf, ging zum Schrank und öffnete ihn, viel hing nicht darin, aber Didos weiße Bluse, frisch gewaschen, das hatte Rose besorgt. Und daneben Didos bunter Leinenrock, sie hatte ihn den ganzen Tag getragen, obwohl Rose meinte, der gehöre nun auch schleunigst in die Waschmaschine.
    »Morgen«, hatte Anita gesagt, »morgen, Rose, gehen wir stundenlang einkaufen.«
    Virginia nahm den Rock heraus und legte ihn an ihr Gesicht.
    »Dido«, flüsterte sie.
    Würde sie Dido niemals wiedersehen? Auch Alain nicht? Wo sie wohl waren? Wie es ihnen gehen mochte? Und die Ferme, einsam und verlassen lag sie irgendwo in den Bergen, kein Mensch darin, keine Ziegen, keine Hühner. Nur Chariot
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher