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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Theodor Storm
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Erstes Buch
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Oktoberlied
    Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
    Schenk ein den Wein, den holden!
    Wir wollen uns den grauen Tag
    Vergolden, ja vergolden!
     
    Und geht es draußen noch so toll,
    Unchristlich oder christlich,
    Ist doch die Welt, die schöne Welt,
    So gänzlich unverwüstlich!
     
    Und wimmert auch einmal das Herz –
    Stoß an und laß es klingen!
    Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz
    Ist gar nicht umzubringen.
     
    Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
    Schenk ein den Wein, den holden!
    Wir wollen uns den grauen Tag
    Vergolden, ja vergolden!
     
    Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
    Doch warte nur ein Weilchen!
    Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
    Es steht die Welt in Veilchen.
     
    Die blauen Tage brechen an,
    Und ehe sie verfließen,
    Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
    Genießen, ja genießen!
Abseits
    Es ist so still; die Heide liegt
    Im warmen Mittagssonnenstrahle,
    Ein rosenroter Schimmer fliegt
    Um ihre alten Gräbermale;
    Die Kräuter blühn; der Heideduft
    Steigt in die blaue Sommerluft.
     
    Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
    In ihren goldnen Panzerröckchen,
    Die Bienen hängen Zweig um Zweig
    Sich an der Edelheide Glöckchen,
    Die Vögel schwirren aus dem Kraut –
    Die Luft ist voller Lerchenlaut.
     
    Ein halbverfallen niedrig Haus
    Steht einsam hier und sonnbeschienen;
    Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
    Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
    Sein Junge auf dem Stein davor
    Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
     
    Kaum zittert durch die Mittagsruh
    Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
    Dem Alten fällt die Wimper zu,
    Er träumt von seinen Honigernten.
    – Kein Klang der aufgeregten Zeit
    Drang noch in diese Einsamkeit.
Weihnachtslied
    Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
    Ein milder Stern herniederlacht;
    Vom Tannenwalde steigen Düfte
    Und hauchen durch die Winterlüfte,
    Und kerzenhelle wird die Nacht.
     
    Mir ist das Herz so froh erschrocken,
    Das ist die liebe Weihnachtszeit!
    Ich höre fernher Kirchenglocken
    Mich lieblich heimatlich verlocken
    In märchenstille Herrlichkeit.
     
    Ein frommer Zauber hält mich wieder,
    Anbetend, staunend muß ich stehn;
    Es sinkt auf meine Augenlider
    Ein goldner Kindertraum hernieder,
    Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.
Sommermittag
    Nun ist es still um Hof und Scheuer,
    Und in der Mühle ruht der Stein;
    Der Birnenbaum mit blanken Blättern
    Steht regungslos im Sonnenschein.
     
    Die Bienen summen so verschlafen;
    Und in der offnen Bodenluk’,
    Benebelt von dem Duft des Heues,
    Im grauen Röcklein nickt der Puk.
     
    Der Müller schnarcht und das Gesinde,
    Und nur die Tochter wacht im Haus;
    Die lachet still und zieht sich heimlich
    Fürsichtig die Pantoffeln aus.
     
    Sie geht und weckt den Müllerburschen,
    Der kaum den schweren Augen traut:
    »Nun küsse mich, verliebter Junge;
    Doch sauber, sauber! nicht zu laut.«
Die Stadt
    Am grauen Strand, am grauen Meer
    Und seitab liegt die Stadt;
    Der Nebel drückt die Dächer schwer,
    Und durch die Stille braust das Meer
    Eintönig um die Stadt.
     
    Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
    Kein Vogel ohn Unterlaß;
    Die Wandergans mit hartem Schrei
    Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei
    Am Strande weht das Gras.
     
    Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
    Du graue Stadt am Meer;
    Der Jugend Zauber für und für
    Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
    Du graue Stadt am Meer.
Meeresstrand
    Ans Haff nun fliegt die Möwe,
    Und Dämmrung bricht herein;
    Über die feuchten Watten
    Spiegelt der Abendschein.
     
    Graues Geflügel huschet
    Neben dem Wasser her;
    Wie Träume liegen die Inseln
    Im Nebel auf dem Meer.
     
    Ich höre des gärenden Schlammes
    Geheimnisvollen Ton,
    Einsames Vogelrufen –
    So war es immer schon.
     
    Noch einmal schauert leise
    Und schweiget dann der Wind;
    Vernehmlich werden die Stimmen,
    Die über der Tiefe sind.
Im Walde
    Hier an der Bergeshalde
    Verstummet ganz der Wind;
    Die Zweige hängen nieder,
    Darunter sitzt das Kind.
     
    Sie sitzt in Thymiane,
    Sie sitzt in lauter Duft;
    Die blauen Fliegen summen
    Und blitzen durch die Luft.
     
    Es steht der Wald so schweigend,
    Sie schaut so klug darein;
    Um ihre braunen Locken
    Hinfließt der Sonnenschein.
     
    Der Kuckuck lacht von ferne,
    Es geht mir durch den Sinn:
    Sie hat die goldnen Augen
    Der Waldeskönigin.
Elisabeth
    Meine Mutter hat’s gewollt,
    Den andern ich nehmen sollt;
    Was ich zuvor besessen,
    Mein Herz sollt es vergessen;
    Das hat es nicht gewollt.
     
    Meine Mutter klag ich an,
    Sie hat
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