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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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immer nur Soldat gewesen, hatte nie etwas anderes sein wollen. Er hatte gelernt, was von ihm verlangt wurde, doch schon jetzt ließ man ihn merken, daß er bald überflüssig sein würde. Mechthilds ältester Sohn aus erster Ehe war fünfundzwanzig, er hatte Betriebswirtschaft studiert, volontierte zur Zeit in einem ähnlichen Werk in Amerika, und wenn er im nächsten Jahr nach Hause kam, würde er hinter dem Schreibtisch des Großvaters sitzen, ein Platz, dem man dem Oberst nie überlassen hatte.
    Ihm war das egal. Je eher er von der Last der Verantwortung für die Fabrik befreit sein würde, um so besser. Vielleicht konnte er dann tun, wovon er manchmal träumte. Wenn er es sich erlaubte, zu träumen. Einfach fortgehen, irgendwohin. Seine Pension würde ihm zum Leben reichen, er war nicht anspruchsvoll. Und allzu luxuriös war das Leben, das sie dort im Ruhrgebiet führten, absolut nicht. Die Sparsamkeit hatte Mechthild von ihrem Vater übernommen, ihr ständiger Ausspruch lautete: Wir müssen für die Kinder alles erhalten, wir müssen weiter aufbauen. Schließlich wissen wir, was schwere Zeiten bedeuten.
    Was Unsinn war, denn gerade in der sogenannten schweren Zeit, also während des Krieges, hatte Mechthilds Vater mit seiner Röhrenfabrik das meiste Geld verdient. Nach dem Krieg kam die Demontage, die der Alte bis an sein Lebensende bejammerte, was ebenso unsinnig war, denn freiwillig hätte er sich zu einer derart weitgehenden Modernisierung der Fabrik nie entschlossen.
    Ein Musterbetrieb war entstanden, doch der Alte nörgelte ständig daran herum. Früher hatte sein Unternehmen ihm besser gefallen. Vor sieben Jahren war er gestorben, mitten in der höchsten Blüte des Wirtschaftswunders. Es wäre eine Lüge, zu behaupten, Ferdinand habe über seinen Tod allzu viele Tränen vergossen. Und er war durchaus in der Lage, die Arbeit des Alten fortzusetzen, das hatte er gelernt. Aber sonst?
    Er machte sich selbst nichts vor, er wußte genau, warum er Mechthild geheiratet hatte. Aus Feigheit, aus Lebensangst. Sie war die Witwe eines gefallenen Kameraden, er hatte sie schon während des Krieges flüchtig kennengelernt, er war es, der ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes brachte. Gleichzeitig mit dem posthum verliehenen Ritterkreuz. Sie feuerte es mit Schwung in die Ecke, sie weinte nicht, sie schrie nur: Ist denn dieser verdammte Krieg nicht bald zu Ende?
    Sie hatte noch einen Bruder draußen, wie der Oberst wußte, als er bei diesem traurigen Anlaß zum zweitenmal in ihr Haus kam. Und auch für ihren Bruder dauerte der Krieg zu lange, er fiel Anfang 1945.
    War sie darum so hart geworden, sah sie darum den einzigen Lebensinhalt nur noch in Geld und Besitz?
    Sie liebte ihre Söhne, sie war eine gute Mutter. Aber ob sie ihren zweiten Mann je geliebt hatte, das war zu bezweifeln. Doch deshalb konnte Ferdinand ihr keinen Vorwurf machen. Liebte er sie denn? Geliebt hatte er nur einmal in seinem Leben, das Luder Anita. Existenzangst war es, die ihn veranlaßte, Mechthild zu heiraten. Er wollte nicht noch einmal erleben, was er als junger Leutnant nach dem Ersten Weltkrieg erlebt hatte. Er war ja nun nicht mehr jung. Außerdem mußte es eine Frau in seinem Leben geben, damit er Anita vergessen konnte, damit er seinen Haß überwand. Und schließlich mußte er an seine Mutter denken. Wer sollte für sie sorgen, wenn nicht er. So heiratete er. Das war 1951. Er war dreiundfünfzig, das Kind, das Anita geboren hatte, zählte gerade ein Jahr. Seine Mutter, die Gräfin von Maray, mochte die zweite Frau ihres Sohnes genauso wenig, wie sie die erste gemocht hatte. Auch wenn da ein enormer Unterschied zwischen den beiden Frauen bestand; die zweite Frau Stettenburg war eine höchst ehrbare Dame. Und sie hatte Geld.
    Sein Blick fiel wieder auf das Mädchen, das ihm gerade aufgerichtet gegenübersaß, eine unübersehbare Frage in den Augen. Sie hatte sich ihm anvertraut und erwartete eine Antwort.
    Geld? das spielte keine Rolle. Er konnte ihr ein Studium von seiner Pension bezahlen, genauso wie er die Klosterschule bezahlte. Und sei es auch nur, um Mechthild zu ärgern. Und nun gab es auch noch Anitas Geld.
    Ein Lächeln erschien um seine Lippen, ein etwas schiefes, boshaftes Lächeln.
    »Es war sehr interessant, etwas über deine Pläne zu erfahren«, sagte er. »Heute brauchen wir ja noch keine Entschlüsse zu fassen, nicht wahr, erst mußt du mit der Schule fertig sein. Nur eins kann ich dir heute schon in aller Deutlichkeit sagen:
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