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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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einer ähnlichen Institution zur Schule gegangen. Man nannte das Kadettenkorps. Es war kein Kloster, aber so etwas ähnliches. Unsere geheimen kleinen Gelage hatten wir dennoch.«
    Virginia lächelte erleichtert. Er war auf einmal freundlich, blickte sie verständnisvoll an. Väterlich. Und sie hatte zuerst gedacht, ihre Ankündigung habe ihn ärgerlich gemacht.
    »Doch, wir kaufen uns schon was ein. Meist Schokolade oder Pralinen. Wir haben uns auch schon Wein gekauft. Schnaps noch nie.«
    »Na, dann probierst du jetzt einmal, wie er dir schmeckt.« Wein hatte meist Teresa gekauft, die erstens über viel Taschengeld verfügte und zweitens der Meinung war, ohne Wein könne der Mensch nicht existieren.
    »Und Zigaretten?« fragte er.
    »Doch, manchmal schon«, gab sie zu.
    »Soll ich dir welche bestellen?«
    »O nein, danke, wirklich nicht. Ich mache mir nichts daraus.«
    Als der Kirsch kam nippte sie daran, schluckte dann den halben Inhalt des Glases hinunter.
    »Schmeckt gut«, sagte sie.
    »Freut mich«, sagte der Oberst. »Und nun zurück zum Thema. Du sagst also, künstlerische Arbeit, Malen, Zeichnen, Grafik, was auch immer, würde dir Freude machen, du hast Talent und möchtest darin ausgebildet werden. Wie ich höre, gibt es in der Schule«, er vermied das Wort Kloster, »eine Schwester, die euch darin unterrichtet. Wo hat sie es denn gelernt? Vielleicht wäre das eine Möglichkeit für dich. Du könntest dann später, genau wie Schwester Borromea, die Schülerinnen hier unterrichten.«
    Sie begriff sofort, was er meinte, das Blut stieg ihr hitzig in die Wangen, und nun waren ihre Augen wirklich grün. »Du willst, daß ich hier im Kloster bleiben soll? Mein ganzes Leben lang? Das tue ich nicht. Nie. Nie.«
    Ihre Stimme war laut geworden, leidenschaftlich. Er blickte besorgt zu den umliegenden Tischen.
    »Nun, errege dich nicht. Es erschien mir als guter Gedanke.«
    »Du willst mich los sein«, sagte sie bitter. »Für immer. Das ist es doch. Sag es doch ehrlich.«
    Er war sichtlich verlegen. Trank den Kirsch aus, zündete sich eine neue Zigarre an. Schwieg.
    »Schwester Borromea ist an der Kunstakademie in Wien ausgebildet«, erzählte sie nach einer Weile, nachdem von ihm keine Antwort kam und das Schweigen drückend wurde.
    »Sie hatte keineswegs die Absicht, Klosterschwester zu werden. Sie hat Bühnenbilder gemacht für die Wiener Staatsoper. Natürlich hieß sie damals anders. Sie ist keine Nonne, verstehst du. Sie ist Laienschwester. Sie war verheiratet, ihr Mann fiel in Rußland, und ihr Kind starb im ersten Jahr nach dem Krieg. Sie war ganz allein und sehr verzweifelt. Später kam sie dann hierher.«
    Eine befremdliche Geschichte. Er hatte nie darüber nachgedacht, daß es für manche dieser Frauen auch ein Vorher gab.
    »Bühnenbildnerin, so«, meinte er. »Zweifellos ein interessanter Beruf.«
    »Wenn man bedenkt, daß ich noch nie in einem Theater war«, murmelte Virginia.
    »Man tut alles in seinem Leben zum erstenmal. Heute hast du deinen ersten Schnaps getrunken, eines Tages wirst du ins Theater gehen. Eine Ausbildung an einer Akademie …«
    »… für bildende Künste«, warf Virginia eifrig ein.
    »Danke. Ich weiß in etwa, was das ist. Auch wenn ich nur ein einfacher Soldat bin und heute ein mittelmäßiger, eben gerade so geduldeter Fabrikbesitzer …«
    Er verstummte, ärgerte sich, daß er das gesagt hatte. Das Mädchen wußte nichts von seinem Leben. Aber der Gedanke an das Gesicht seiner Frau, wenn er ihr von Virginias Plänen erzählen würde, war einfach überwältigend.
    Mein Geld, meines Vaters hart verdientes Geld, so sagte sie, wenn von der Fabrik die Rede war, und sie ließ es ihn immer deutlich spüren, daß er eingeheiratet hatte, daß er ihr das ausgepolsterte Leben verdankte, daß er sich von seiner Offizierspension weder die feudale Villa noch den Mercedes hätte leisten können, geschweige denn die Klosterschule für den Bastard. Nun, die Villa gehörte nicht ihm, die hatte der Alte lange vor dem Krieg gebaut, ein Prachtgebilde war sie, wirklich, als Heim jedoch hatte er sie nie empfunden. Der Mercedes war ein Geschäftswagen, seine Frau besaß ihren eigenen Wagen, ebenso die beiden Söhne. Und daß er schließlich arbeitete in dieser Fabrik, nicht minder hart als sein Schwiegervater es getan hatte, ja, daß die Arbeit ihm um vieles schwerer fiel, weil sie ihm so fremd gewesen war, davon wurde nie gesprochen. Er war kein Geschäftsmann, er war kein Unternehmer, er war
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