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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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Virginia das lange blaßblonde Haar und band es im Nacken zusammen, denn die Schwestern duldeten keine offenen Haare. Sicher würde der Vater mit ihr irgendwohin gehen, dann konnte sie das Band entfernen, vielleicht gefiel sie ihm dann besser. Das Wetter war schön, also konnte sie das weiße Kleid mit den kleinen blauen Blümchen anziehen. Wenn sie doch nur weiße Schuhe hätte …
    Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, damit sie ein wenig röter wurde. Teresa besaß einen Lippenstift, aber den hatte sie mitgenommen. Ob die Zwillinge einen hatten? Falls der Vater sie nach einem Geburtstagswunsch fragte, würde sie ihn um weiße Schuhe bitten. In Enzensbach gab es zwar keinen Schuhladen, aber fünf Kilometer entfernt, in Gollingen, wo immerhin eine ganze Menge Sommergäste hinkamen, hatte sie im Fenster weiße Sandaletten gesehen, aus geflochtenem Leder, die Fersen frei.
    Teresas Mutter hatte solche Schuhe angehabt. Mit sehr hohem Absatz, und nicht nur die Fersen waren frei, auch die rotlackierten Zehennägel waren zu sehen gewesen. »Wenn ich zu Hause bin«, hatte Teresa verkündet, »lackiere ich mir die Nägel auch. Sieht viel hübscher aus. Soll ich dir Nagellack mitbringen? Hoffentlich denke ich daran.«
    Ob weiße Schuhe ihm zu teuer sein würden? Er war kein armer Mann, das wußte sie. Die Klosterschule war auch nicht gerade billig. Wenn man eine Tochter hier zur Schule schicken konnte, würde man ihr zum Geburtstag auch ein Paar weiße Schuhe kaufen können.
    Was für aufsässige Gedanken an diesem Geburtstagsmorgen!
    Dann hörte sie Anna-Luisas nörgelnde Stimme auf dem Gang. Das fehlte gerade noch, daß die die erste war, die ihr gratulierte, sicher hatte sie wieder einen besonderen Spruch bereit. Etwa: Gebe Gott, daß du das nächste Jahr überleben wirst. Du bist sowieso immer sehr blaß in letzter Zeit. Meine Mutter ist an Leukämie gestorben, das weißt du ja. Soll ich dir mal erzählen, wie das war? So ungefähr hatte sich im vergangenen Jahr Anna-Luisas Gratulation angehört.
    Virginia verdrückte sich in die Toiletten und verschwand durch die kleine Tür, die von dort aus in die Wäschekammern und dann weiter in den Haushaltstrakt führte. Schwester Serena als erster zu begegnen, würde besser sein.

Der Vater
    Der Oberst a.D. Ferdinand Stettenburg-von Maray kaufte seiner Tochter keine weißen Schuhe zum Geburtstag, weil er bereits ein Geburtstagsgeschenk mitbrachte.
    Und zwar ein so unerwartetes und prächtiges Geschenk, daß Virginia die weißen Schuhe darüber vergaß. In einem schmalen länglichen Kästchen lag auf hellblauer Watte eine Kette aus Gold, die sich zur Mitte hin verbreiterte, wo drei blasse Opale in Filigran eingefaßt waren.
    Es war auf der Terrasse des Gasthofs ›Zum Klosterhof‹, wo Virginia das Kästchen überreicht bekam und mit zitternden Fingern öffnete.
    »Das ist für mich?«
    »Es gehörte meiner Mutter«, sagte der Oberst steif. »Es ist das einzige, was von ihrem Schmuck übrigblieb. Ich denke, du bist nun alt genug, um so etwas zu tragen.«
    »Darf ich sie ummachen?«
    »Natürlich.«
    Virginia legte sich die Kette vorsichtig um den Hals. Das Weiße mit den blauen Blümchen hatte einen bescheidenen runden Ausschnitt, wie man ihn in der Klosternäherei als passend erachtete, und die Kette fügte sich vortrefflich hinein.
    »Danke«, sagte sie und blickte ihren Vater mit leuchtenden Augen an, »ich danke dir sehr. Ich freue mich ganz schrecklich.«
    Er hat mich lieb, dachte sie glücklich, er hat mich eben doch lieb.
    Der Oberst räusperte sich. So etwas wie Rührung überkam ihn, ein Gefühl, das er nicht schätzte und das hier auch vollkommen fehl am Platze war. Seit dieses Mädchen auf der Welt war, hatte er sein Herz gegen es verhärtet, und er hatte triftige Gründe dafür.
    Dennoch war er heute seltsamerweise bewegt gewesen, als er sie nach so langer Zeit wiedersah, überrascht von ihrer Erscheinung, als sie ihm im Empfangszimmer des Klosters gegenübertrat.
    Er hatte ein schlaksiges, scheues Kind in Erinnerung, das kaum wagte, ihn anzusehen. Nun, scheu war sie immer noch, aber sie war hübsch geworden, auf eine sanfte, verträumte Art, die in gewisser Weise etwas – ja, man konnte sagen, die etwas Rührendes hatte. Sie wirkte so unschuldig und hilfsbedürftig, ein Wesen, das man beschützen mußte.
    Er war, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, zu dem gleichen Ergebnis gekommen wie die junge, allerdings nicht ganz unerfahrene Teresa.
    Nachdem er mit
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