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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel
Autoren: Danella Utta
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Schwestern angemessen gewesen wäre.
    Aber Teresa lebte auch erst seit zwei Jahren in der Abgeschiedenheit der Klosterschule, sie war zuvor weit in der Welt herumgekommen, denn ihr Vater war ein österreichischer Diplomat, dazu mit einer bildschönen Italienerin aus reichem Haus verheiratet. Teresa war mehrsprachig aufgewachsen, zuletzt lebte sie mit ihren Eltern in Madrid, doch als sich herausstellte, daß sie bei ihrem guten Aussehen auch noch ziemlich temperamentvoll und eigenwillig war – sie war noch nicht sechzehn, da hatte sie einen ausgedehnten Flirt mit einem Botschaftssekretär und wollte mit ihm durchbrennen –, steckte man sie in das altrenommierte österreichische Kloster zu den frommen Schwestern.
    Teresa trug es mit Gleichmut; sie war sich des amüsanten Lebens gewiß, das sie erwartete, wenn die Schulzeit zu Ende sein würde. In Virginias Augen war Teresa von einmaliger Schönheit; volles dunkelbraunes Haar, lebhafte braune Augen, eine golden getönte Haut, bereits voll entwickelt, dabei voll Grazie in jeder Bewegung und mit angeborenem Charme ausgestattet – keine Rede davon, daß Virginia je so begehrenswert sein würde, wie Teresa es zu jeder Stunde war, schon morgens im Waschraum, wenn sie im langen Nachthemd eine ihrer beliebten Vorstellungen gab, die Schwestern imitierte oder aus dem Leben in diplomatischen Kreisen berichtete, von Intrigen, Geheimnissen, Liebschaften und Ehebrüchen. Die Mädchen hörten jedesmal fasziniert zu und kicherten noch stundenlang über das Gehörte.
    »Aber, aber, liebes Kind«, sagte Schwester Serena mit sanftem Tadel, wenn sie etwas von den Erzählungen mitbekam. Mehr sagte sie nicht, denn auch auf die gutmütige Hausschwester verfehlte Teresas Charme seine Wirkung nicht. War die Mutter Oberin in der Nähe, oder Schwester Justina, die strengste der Schulschwestern, konnte Teresa sehr sittsam die Augen niederschlagen und wirkte so wohlerzogen und tugendhaft wie nur je eine Tochter aus gutem Hause.
    »Die Frauen in Italien lernen das von Kindheit an«, klärte sie Virginia auf. »Dabei verstehen sie zu leben, mamma mia. Doch nach außen hin sind sie alle gehorsame Töchter und Ehefrauen.«
    »Ist deine Mutter auch so?« wollte Virginia wissen.
    »Sie hat mit Papa genug zu tun. Er ist ein richtiger Mann. Und er sieht doch toll aus, findest du nicht auch?« Doch, das fand Virginia, das fanden alle Mädchen. Wenn Teresas Vater kam, um seine Tochter zu besuchen oder zu irgendeinem vergnüglichen Unternehmen abzuholen, suchten alle Mädchen nach einem Vorwand, ihm zu begegnen. Allein sein Lächeln! Sein Lächeln ließ die Klosterschülerinnen von etwas träumen, was sie nicht kannten und was auch kaum eine von ihnen je kennenlernen würde. So ein Mann war Teresas Vater. Und natürlich waren auch Teresas Brüder großartige Burschen, obwohl man sie nur von Bildern kannte, ihr Auftreten war dem Kloster bisher erspart geblieben, was wohl gut war, denn, so Teresa: »Fabrizio, mein großer Bruder, o Madonna, wenn der herkäme, dann müßte die Mutter Oberin alle Mädchen einsperren.«
    Alles in allem war es eine wundervolle Familie, und Virginia war von Neid erfüllt, wenn sie an Teresa dachte. So häßlich so ein Gefühl auch sein mochte, noch dazu einer Freundin gegenüber.
    Ich dagegen, dachte Virginia, noch immer vor dem Spiegel im Waschraum, ich habe gar nichts. Zwar auch eine schöne Mutter, doch sie ist tot. Und einen Vater, der sich kaum um mich kümmert. Und habe ich ihn je lächeln sehen? Und diese Stiefmutter, die ich gar nicht kenne. Sie muß mich hassen. Warum nur? Was war so Geheimnisvolles um den Tod ihrer Mutter, daß man sie dafür büßen ließ in trostloser Verbannung?
    Keine guten Gedanken an diesem Morgen ihres Geburtstages. Und gleichzeitig kam es wie Zorn über sie, eine Art Aufsässigkeit: eines Tages werde ich fortgehen von hier. Ich werde mein eigenes Leben haben, mein Leben für mich. Und ich werde so wenig nach ihnen fragen wie sie nach mir.
    Dann fiel ihr ihre Großmutter ein, bei der sie gelebt hatte, bis sie sieben Jahre alt war. Auch sie war tot. Doch sie war der einzige Mensch, bei dem sie so etwas wie ein Zuhause gehabt hatte. Liebe hatte Virginia von ihr auch nicht bekommen, sie war unzugänglich gewesen, sehr schweigsam, aber doch immer gerecht bei aller Strenge. Von dem Leben der Gräfin Maray wußte Virginia nichts, nur eben gerade, daß auch sie als junges Mädchen in dieser Klosterschule erzogen worden war.
    Nachdenklich kämmte
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