Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Autoren: Scott McBain
Vom Netzwerk:
Stadtstaat mit tausend Zimmern war immer kleiner geworden, bis er nur noch aus einem Raum bestand.
    »Der Heilige Vater hat all jene, die in Rom noch am Leben sind, gebeten, morgen zur Messe in den Petersdom zu kommen. Es heißt, dass heute Abend die Generatoren abgestellt werden. Wie wollen wir an Sprit und Brennstoff kommen?«
    »Ich gehe zu ihm«, sagte Rienzi.
    »Man wird Sie nicht einlassen«, erwiderte der Kardinal aus Mailand. Er legte die Hand an seine Schutzmaske und flüsterte: »Man munkelt, er sei sehr krank, aber man möchte nicht, dass die Nachricht an die Öffentlichkeit gelangt. Er hält sich die ganze Zeit in seiner Kapelle auf.«
    »In der Kapelle?«
    »Ja«, sagte der Kardinal aus Mailand. »Herrscher über eine Stadt der Toten.«
    »Und haben Sie einen Brunnen gefunden?«
    Der Kardinal schüttelte den Kopf. »Wir haben überall gesucht. Es gibt keinen Brunnen im Vatikan, was bedeutet, dass uns in zwei, drei Tagen das Wasser ausgeht, je nachdem, wie viele von uns dann noch leben.«
    »Ich gehe zu ihm.«
    »Das sollten Sie lieber nicht tun.«
    Rienzi ging trotzdem. Wirklich, der Kardinal benahm sich manchmal wie ein altes Weib. Er, Rienzi, würde verlangen, den Papst zu sehen. Tatsächlich war Johannes  XXVI . völlig nutzlos. Wenn Rienzi Papst war, würde er sich nicht nur verstecken und die ganze Zeit beten, er würde die Führung übernehmen. Was würde er tun? Er würde Suchtrupps durch ganz Rom entsenden, um Wasserquellen zu finden. Er würde Martinelli in den Vatikan einbestellen und verlangen, dass der Präsident etwas unternahm. Aber wo war Martinelli eigentlich? Sollte er zu seinem Palast fahren, um ihn aufzusuchen? Aber das wäre zu riskant.
    Jetzt, da alles geschlossen war und es keinen Strom gab, konnte man dort nur bei Tageslicht arbeiten, und man wusste auch nicht, wem man unterwegs begegnete. Diejenigen, die zur Messe in den Dom kamen, behaupteten, die Mafia kontrolliere die Stadt, und die Menschen müssten ihr gesamtes Hab und Gut weggeben, um an Lebensmittel oder Wasser zu kommen. Die Leute verkauften ihre Kinder für Brot.
    Als er vor den privaten Räumen des Papstes ankam, sah es dort so aus, wie der Kardinal aus Mailand gesagt hatte. Zwei Schweizergardisten standen da, mit Schutzmasken, und versperrten ihm den Weg. Vermutlich waren sie die einzigen, die übrig waren.
    »Der Heilige Vater kann niemanden empfangen, Eure Eminenz.«
    »Ist er krank?«
    Die Schweizergarden zuckten mit den Schultern. Sie hatten keine Ahnung.
    »Wer ist bei ihm?«
    »Kardinal Montani.« Das war der ranghöchste Kardinal.
    »Richten Sie ihm aus, Kardinal Rienzi möchte ihn sprechen. Ich muss mit dem Heiligen Vater reden, es ist dringend.«
    Der eine Gardist verschwand. Er blieb lange fort, und Rienzi war sich sicher, dass er keinen Erfolg haben würde. Der Schweizergardist erschien jedoch wieder und sagte: »Der Heilige Vater wird Sie empfangen. Gehen Sie zu seiner Privatkapelle!«
    Rienzi ging über die stillen Flure. Vor ein paar Monaten noch waren sie voll gewesen von Würdenträgern auf Besuch, Vatikanbeamten und Kardinälen. Jetzt waren sie wie ausgestorben. Die Türen zu den Audienzzimmern waren ebenfalls geschlossen, was einen klaustrophobischen Eindruck hervorrief – den Eindruck eines Palasts, der zum Museum geworden war.
    Rienzi hatte erwartet, unterwegs einem Schweizergardisten oder einem ranghohen Kardinal zu begegnen, aber da war niemand. Als er vor der Tür zur Privatkapelle ankam, sah er, dass sie einen Spaltbreit offen stand. Hatte der Papst keine Wachen um sich? Wo waren die alle? Er ging hinein.
    Johannes  XXVI . saß mit dem Gesicht zum Hochaltar auf einem Stuhl, den Rücken ihm zugewandt. Rienzi trat vor den Stuhl und kniete nieder.
    »Heiliger Vater?«
    Er betrachtete die chinesischen Gesichtszüge – die schmalen Wangen, den olivefarbenen Teint, die dunklen Augen, die flache Nase –, aber sie wirkten irgendwie anders. Es war das Gesicht eines Menschen, der völlig verbraucht war. Das Gesicht eines Menschen, der in der Schlacht gekämpft hatte und sich nun verzweifelt hinlegen wollte, um sich zu erholen. Der Papst schaute ihn nicht an, und da erkannte Rienzi, dass sich der Heilige Vater in einer Art Trance befand. Sein Blick war ganz auf das Kreuz auf dem Altar konzentriert.
    »Heiliger Vater?« Rienzi berührte ihn am Arm.
    Die Augen bewegten sich; Johannes  XXVI . kehrte in die Welt zurück. In ruhigem Tonfall sagte er: »Rienzi?«
    »Ja, Heiliger Vater?«
    »Wo waren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher