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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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scherzten. Dachten sie nicht an die Gefahr, die ihnen allen drohte? Die Stimmen klangen ihr überlaut in den Ohren.
    Angelinas Vater, Lorenzo Girondo, war in ein lebhaftes Gespräch mit einer jungen Frau vertieft. Was machte er da? Wollte er wieder einmal seine Frau bloßstellen? Angelina schaute sich nach ihrer |10| Mutter um. Lukrezia Girondo hatte sich in eine Ecke zurückgezogen. Ihre schwarzen Locken wurden durch eine perlenbestickte Kappe gebändigt, die Leibesfülle von einem Kleid aus dunklem Samt. Sie stopfte Marzipantörtchen in sich hinein und winkte ihrer Tochter zu. Angelina ging zu ihr hinüber.
    »Mein Herr Vater könnte wenigstens heute aufhören, sich wie ein Pfau zu benehmen«, murmelte sie.
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich immer älter und dicker, je jünger und hübscher seine Geliebten werden.«
    »Dann esst nicht so viel Kuchen und Konfekt!«, versuchte ihre Tochter sie zu necken. Ihr Vater hatte inzwischen die junge Frau allein gelassen und rief: »Ich bitte meine Gäste nun zu Tisch! Lasst uns das Frühlingsfest feiern, wie es immer bei uns üblich war.«
    Nachdem sich alle an den Tischen verteilt hatten, traten Diener heran, nahmen Flaschen mit weißem Chianti aus den Silberschalen, schenkten ein.
    »Ein Prosit auf unser Geschlecht der Girondos und auf uns alle!«, rief Lorenzo fröhlich aus, und die Mägde brachten die Speisen. Es wurden Wildbret, gebratener Fisch, Aufschnitt und Saucen mit viel Pfeffer, Pinienkernen und Trüffeln serviert.
    »Wer froh sein mag, der sei es, das Morgen, das ist nicht sicher …«, fuhr Lorenzo fort. »Das hat mein alter Freund und Namensvetter, Lorenzo de’ Medici, immer gesagt, Gott weiß, warum er so bald sterben musste. Dieser wahnsinnige Prior Savonarola ist schuld daran, dass er vertrieben wurde!«
    »Habt Ihr keine Bedenken, in diesen Zeiten Feste zu feiern und den Namen der Medicis auszusprechen?«, fragte ein untersetzter Mann mit flachem, federgeschmücktem Barett.
    »Savonarola duldet solche Feierlichkeiten nicht«, ergänzte sein Gegenüber, ein junger, hochgewachsener Mann. Es war Francesco Rosso, Malergehilfe Sandro Botticellis, bei dem Angelinas Eltern ein Porträt von ihr in Auftrag gegeben hatten. Sein Nachbar mit dem Barett wandte immer wieder den Blick zu Angelina. Er gefiel ihr nicht. Seine Lippen waren fleischig, seine Art war höflichunterwürfig, |11| und wenn seine Augen die ihren trafen, zuckte eines seiner Augenlider. Dieses Zucken erinnerte sie an etwas, sie wusste aber nicht, an was.
    »Wer ist das?«, fragte sie flüsternd ihre Mutter.
    »Das ist Tomasio Venduti, ein Tuchhändler aus unserer schönen Stadt Florenz«, gab die Mutter ebenso leise zurück. Als hätte er es gehört, erhob der Fremde nun seine Stimme.
    »Wir sind Savonarola zwar zu tiefem Dank verpflichtet«, meinte er, »aber der Prior ist zu weit gegangen. Man kann den Menschen nicht alle Freude am Dasein nehmen. Was ist denn dabei, wenn ein Fest wie dieses gefeiert wird?«
    »War unsere Stadt nicht einmal eine Pracht?«, warf Francesco ein.
    »Es war die Stadt der Künste und der Wissenschaft, des Reichtums und der Macht«, entgegnete Tomasio. »Und der schönen Frauen.« Sein Augenlid zuckte bei diesen Worten.
    »Und jetzt ist sie …«, setzte Francesco fort.
    »Jetzt ist sie ein Gottesstaat«, antwortete Tomasio. »Alles, was die Menschen davon abhält, ins Reich Gottes zu kommen, wurde aus ihren Mauern verbannt. Aber Savonarola ist den falschen Weg gegangen. Keiner kann anderen Menschen seinen Willen aufzwingen, wenigstens nicht auf die Dauer.«
    »Wenn die Menschen aber in ihr Unglück rennen«, versetzte Francesco, »Gottes Wort vergessen, sich bereichern und ein sündiges Leben führen … Dann muss ihnen jemand den rechten Weg zeigen.«
    Sandro Botticelli ist als Anhänger dieses Mönchs bekannt, ging es Angelina durch den Kopf. Konnte Francesco dieses Fest mit seinem Gewissen vereinbaren?
    Nachdem das Mahl beendet war, begannen die Musiker zu spielen. Die Gäste zerstreuten sich, standen in Gruppen herum, lachend und plaudernd. Angelina setzte die begonnene Unterhaltung mit Francesco und Tomasio fort. Jetzt gesellte sich Angelinas Vater zu ihnen.
    |12| »Du bist in angenehmer Gesellschaft, wie ich sehe«, meinte er, an seine Tochter gewandt.
    »Ja, Herr Vater, ich unterhalte mich glänzend«, erwiderte sie.
    »Ich möchte dich mit jemandem bekannt machen«, sprach ihr Vater weiter. Angelina war es, als verdunkelten sich die Lichter der
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