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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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fragen, ob Ihr ihn kennt.«
    »Hat ihn niemand aus dem Dorf erkannt?«, fragte Lorenzo mit einem gespannten Gesichtsausdruck.
    »Nein, niemand, aber die Leute sagen, das war so ein feiner Herr, der hatte gewiss etwas mit den Girondos da oben auf dem Anwesen zu tun.«
    »Wir hatten gestern einige Freunde zu Gast«, sagte Lorenzo.
    |20| »Ich hörte davon«, gab Nicolini zurück. »Ein paar
Fanciulli
haben gestern Nacht gemeldet, dass bei Euch ein Fest stattgefunden habe, das nicht den Verordnungen entsprach.«
    »Ach, Ihr wisst doch, wie das ist«, schmeichelte Lorenzo. »Man holt seine Kleider aus den Truhen, um mal wieder ein wenig Glanz zu sehen. So viel Freude ist ja in letzter Zeit nicht aufgekommen, meint Ihr nicht auch, Signor Nicolini?«
    »Recht ist Recht«, antwortete der Wachtmeister. »Ich muss das der Signoria melden.«
    »Ach, kommt«, meldete sich Angelinas Mutter zu Wort, »Ihr erhaltet auch wieder ein Fässchen Wein aus unserem Keller. Und einen Korb voller Sahnewaffeln«, fügte sie hinzu, als sie sah, wie die Augen des Wachtmeisters aufleuchteten.
    »Also gut, ich habe nichts gehört und nichts gesehen«, meinte er.
    Und an Lorenzo gewandt: »Aber wollt Ihr mir jetzt bitte folgen und Euch den Toten ansehen?«
    »Aber gewiss. Es könnte Signor Fredi sein, der sich bei uns angesagt hatte, aber nicht erschien. Wahrscheinlich ist er von Wegelagerern erschlagen worden, der Arme.«
    »Er wurde erstochen«, meinte der Wachtmeister.
    »Wenn er es wirklich ist, werde ich ihn in unserem Wagen in die Stadt bringen lassen.«
    »Hat er Verwandte?«, wollte der Wachtmeister wissen.
    »Nur seine alte Mutter, soweit ich weiß.«
    »Habt Ihr ihn nicht suchen lassen?«
    »Meine Diener haben Ausschau nach ihm gehalten, ihn aber nicht gefunden«, beendete Lorenzo den Disput und schritt zusammen mit dem Wachtmeister hinaus.
     
    Am Tag darauf zog die Familie Girondo wieder in die Stadt. Ihre leichte Kutsche war mit Körben und Beuteln beladen. Der Leichnam Fredis begleitete sie in einem schwarzen Kasten.
    Die Stadt Florenz empfing sie so abweisend wie bei ihrer Abreise. Die Häuser standen wie Türme, mit kleinen Fenstern und Loggias |21| versehen. Angelina bemerkte die Nebel, die von den Wassern des Arno aufstiegen. Sie hüllten alles in ein düsteres Grau. Die Menschen, in schwarze Umhänge gehüllt, eilten ihren Häusern entgegen. Sie schienen beunruhigt; viele von ihnen trugen Waffen. Durch die Straßen zogen die
Fanciulli del Frate
.
    Angelinas Vater übernahm die traurige Aufgabe, Fredis Mutter ihren toten Sohn zu überbringen. Die Familie erreichte ihr Stadthaus, den Palazzo Girondo. Angelina stieg mit ihrer Mutter die Treppe zum
Primer Piano, z
um ersten Stock hinauf. Sie war froh, ihre Geschwister wiederzusehen. Sie wären wieder vollständig gesund und von den Großeltern hervorragend versorgt worden, berichteten sie.
    »Gibt es noch ein Fest?«, fragte Rodolfo mit leuchtenden Augen.
    »Vielleicht zu Pfingsten!«, fiel Clementina ein.
    »Wir werden sicher bald wieder ein Fest feiern«, versicherte Angelina und strich beiden über die Köpfe. Von draußen ertönte ein vielfältiges Rasseln. Die Geschäftsleute ließen ihre Läden herunter. Signora Girondo, die herzugekommen war, sagte aufgeregt: »Die Schulen haben geschlossen, weil Savonarola wieder eine seiner Predigten hält. Wir sollten hingehen, alle unsere Nachbarn und Bekannten finden sich heute im Dom ein, um den Prediger zu hören.«
    »Er ist ein
Piagnone,
eine Heulsuse!«, rief Clementina. »Und alle, die ihm anhängen, sind ebenfalls Heulsusen.«
    »Wo hast du denn das aufgeschnappt?«, fragte Signora Girondo streng.
    »Na, bei den
Compagnacci,
unseren Kumpanen«, antwortete Clementina. »Sie sagen, Savonarola hat die Stadt verraten, weil das, was er versprochen hat, nicht eingetreten ist.«
    »Davon versteht ihr nichts«, sagte Signora Girondo schnell. »Jetzt zieht eure Gewänder für die Kirche an, hört doch, die Glocken läuten schon!«
    Wenig später traf Lorenzo Girondo ein, und die Familie machte sich gemeinsam auf den Weg zum Dom. Kleinere Prozessionen von Menschen zogen zur Kirche hin, angeführt von den
Fanciulli
|22|
del Frate
. Von einer Eskorte von älteren Kindern bewacht, näherte sich Savonarola dem Dom. Angelina hatte ihn noch nie aus solcher Nähe gesehen.
    Er war von kleiner Statur, in eine braune Kutte gekleidet, die von einem Strick zusammengehalten wurde. Sein Gesicht wirkte blass und zerfurcht, die Augen, die tief in ihren
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