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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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Höhlen lagen, sahen aus wie von innen verbrannt. Das war also der Bußprediger, der ganz Florenz im Griff hatte! Angelina betrachtete ihn neugierig. Sie wandte sich erschrocken ab, als er sich plötzlich umwandte und sein Blick sich in ihren bohrte.
    In der Kirche herrschte drangvolle Enge, es roch nach Schweiß, nach Weihrauch und ein wenig nach Verwesung. Da Männer und Frauen in der Kirche durch ein riesiges Tuch getrennt stehen mussten, blieben nur ihre Mutter und ihre Schwester während der Predigt bei Angelina. Nach Gesängen, Gebeten und Psalmen, die nicht mehr aufhören wollten, betrat Savonarola die Kanzel. Atemlose Stille herrschte unter den Unzähligen, die sich hier versammelt hatten.
    »Hört ihr das Wort unseres Vaters?«, begann der Mönch mit gewaltiger Stimme, die man dem schmächtigen Körper gar nicht zugetraut hätte. »Das sagt: Auge um Auge, Zahn um Zahn? Wir stehen dicht vor der Wende des Jahrhunderts. Hat nicht Johannes das Ende der Zeit angekündigt? Und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: der Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Pest und durch die wilden Tiere auf Erden. Diejenigen, die das Heiligste beschmutzt haben in der letzten Nacht, sollen in den tiefsten Tiefen der Hölle schmoren!« Er schlug auf die Brüstung der Kanzel, wo Domenian die Nägel hatte entfernen lassen. Ein Aufseufzen kam aus tausend Kehlen. »Bürger von Florenz!«, fuhr Savonarola fort. »Noch sitzt der Antichrist auf dem Thron in Rom, Alexander VI., den gilt es zu vernichten, es gilt, einen Gottesstaat zu errichten. Die Wahl des Papstes im Jahre 1492 war ungültig! Er lebt in Sünde mit seinen |23| Konkubinen, allein sieben Kinder hat er mit ihnen gezeugt. Der Papst hat gedroht, mich zu exkommunizieren, aber das kann mich nicht davon abhalten, das Rechte zu tun, das, was Gott und die Gemeinschaft der Gläubigen von uns verlangen. Seid ihr treue Diener Gottes? Werdet ihr uns mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und bei allem, was euch heilig ist, unterstützen?«
    »Ja, das werden wir, Padre Prior«, antworteten Tausende von Menschen.
    »Also«, fuhr Savonarola fort, »der vollkommene Christ lebt im Glück der Barmherzigkeit. Und so – wie Hiob sagt – haben diese Vollkommenen die Nacht in Tag verwandelt, das heißt, Unglück schätzen sie als Glück und Glück der Welt halten sie für Unglück. Das sind also die Doppelrechtser, die vollkommenen Christen. Andere Christen sind Doppellinkser, die gebrauchen beide Hände als Linke, da sie sündigen im Glück wie im Unglück. Das sind diejenigen, die gestern Nacht das Haus des Herrn besudelten. Wie denen, die Gott lieben, alles zum Wohle gereicht, so gereicht diesen alles zum Übel.«
    Das Schlagen einer Trommel war zu hören. Die dicht gedrängt stehenden Menschen blickten verwirrt empor. Das Trommeln wurde lauter. Einige junge Leute auf den oberen Rängen waren aufgesprungen. »Du wirst selber in der Hölle brennen, Savonarola!«, schrie einer von ihnen. »Uns kannst du nicht mehr überzeugen mit deinem Sünden- und Höllengefasel! Und bald wird dir keiner mehr folgen in dieser Stadt.« Die Menge wirkte wie versteinert.
    »Euch wird der Mut bald vergehen, ihr Bürschchen!«, rief Savonarola und drohte ihnen mit der Faust. »Gott wird über euch zu Gericht sitzen.« Durch das lauter werdende Geschrei und Trommeln fuhr er mit seiner Predigt fort: »Die Doppelrechtser gleichen den Bienen, die alles in süßen Honig verwandeln, die Doppellinkser den Schlangen, die alles in Gift verwandeln. Und was denkt ihr, die ihr gute Christen seid, wer von denen die ewigen Freuden des Paradieses erlangen wird?«
    |24| »Die Doppelrechtser!«, riefen die Menschen, lauter als die Trommeln.
    »Und wer wird in die Hölle fahren und im Fegefeuer braten?«
    »Die Doppellinkser!« Es kam wie ein gemeinsamer Aufschrei, viele bekreuzigten sich.
    »Du bist selber ein Doppellinkser, Savonarola«, tönte es von der Empore. Einige Mönche eilten die Treppe hinauf, packten die Störer und trieben sie mit Knüffen und Stößen aus der Kirche hinaus. Keine Hand regte sich, um ihnen zu helfen.
    »So lasst uns beten«, fuhr Savonarola zufrieden fort, als wieder Stille eingetreten war. Sein Gebet, das er mit lauter, sicherer Stimme vortrug, endete mit den Worten:
    »Und weil wir Menschen hienieden schwach sind, so behüte uns, Herr, vor allen schädlichen Anfechtungen, vor
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