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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle
Autoren: Brigitte Riebe
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dabei?«
    »Wollt Ihr ihn sehen?« Adam zog seinen Beutel aus der Tasche und öffnete ihn.
    »Gib ihn mir!« Förner streckte die Hand danach aus. »Er gehört mir. Du hättest ihn niemals an dich nehmen dürfen. Es war ein großer Fehler, dass du das getan hast!«
    »Das hat Gundel damals sicherlich auch gedacht«, sagte Adam. »Und wusste sich trotzdem nicht anders zu helfen, als Ihr sie aus dem Haus gewiesen habt. Schwanger. Mit Eurem Kind im Bauch.«
    »Schweig, Thies!«
    »Sie hätte ihn verkaufen können, um an Brot zu kommen. Aber sie hat ihn lieber ihrem Kind umgehängt, um es zu schützen. Das kleine Lenchen. Mit seinen offenen, toten Augen.«
    »Schweig – sonst …«
    Förner machte einen Satz und kam ins Rutschen. Hilfe suchend griff er nach Adams Arm und riss ihm dabei den Beutel aus der Hand.
    Beide bückten sich im gleichen Augenblick danach. Ihre Köpfe krachten zusammen. In diesem Augenblick kam die nächste Welle. Als Adam sich aufrichten wollte, glitt er auf dem Steg aus.
    Förner trat nach ihm. Adam rutschte ab. Förner trat wieder nach ihm und noch einmal. Es gab kein Halten mehr, kein Hindernis.
    Wie ein Stein fiel Adam in den dunklen, reißenden Fluss.
    Er kam wieder hoch, schrie, ruderte mit den Armen. Dann verschwand er in der Strömung.
    Förner lauschte in die Nacht. Nur das Rauschen des Flusses war zu hören. Mit zitternden Händen machte er sich an dem nassen Säckchen zu schaffen.
    »Das dritte Zeichen«, murmelte er und zerrte mit seinen steifen Fingern an dem Band. »Ich danke dir! Du hast mich ausgezeichnet vor allen anderen, heilige Jungfrau. Bis zum letzten Atemzug werd ich dir dienen.«
    Es war hell genug, um das satte Rot der Perlen zu erkennen. Ein wehmütiges Lächeln verzerrte seinen Mund. Als er den Rosenkranz aber schließlich ganz in der Hand hielt, erstarrte er.
    Die Steine waren leicht und kalt. Rotes Glas. Nichts als eine billige Fälschung.
    Wutentbrannt warf er sie ins Wasser.

    »Die Ziegen sind fort«, sagte Kuni, als sie mit rot gefrorenen Wangen ins Haus kam. »Nicht eine einzige steht mehr im Stall. Was ist passiert?«
    »Mathis hat sie verkauft.« Ava zupfte ihr Kleid zurecht und fuhr sich mit der Bürste übers Haar.
    »Dann werden wir keine Milch mehr zu trinken haben?«
    »Wir werden andere Milch trinken«, sagte Ava. »In einem anderen Haus.«
    Das Mädchen trat neben sie.
    »Also stimmt es, was Toni sagt?«, flüsterte sie. »Es ist wirklich wahr!«
    »Was sagt Toni denn?«, fragte Ava.
    »Nichts.« Kuni errötete. »Nur, dass du weggehen wirst. Schon sehr bald. Zusammen mit Mathis.« Sie zögerte, ihr Blick ging zu Avas Bauch. »Und dem Kind.«
    »Ihr sollt nicht darüber reden«, sagte Ava eindringlich. »Mit niemandem. Am besten nicht einmal untereinander. Was ihr nicht wisst, kann auch keiner aus euch herauspressen. Das hab ich Toni extra eingeschärft.«
    »Ich weiß. Auch das hat er mir gesagt. Aber was soll aus uns werden, so ganz ohne dich?«
    »Wieso ohne mich? Wir gehen doch alle zusammen, Kuni.«
    »Alle zusammen?«
    »Alle zusammen. Warum sollten wir uns trennen?«
    Kuni sah Ava ungläubig an, ihre Augen glänzten verdächtig.
    Ava zog ihre dicke Jacke an und wickelte sich in das Schultertuch. »Aber jetzt muss ich los.«
    »Wohin gehst du?«, sagte das Mädchen. »Du hast dein bestes Kleid an. Und die neuen Stiefel.«
    »Ich muss noch etwas erledigen«, sagte sie. »Ich hoffe, wir werden bald wieder zurück sein.«
    Sie rief nach Toni, der sofort erschien, als hätte er hinter der Tür nur auf dieses Zeichen gewartet.
    »Wir gehen?« Auch er trug seine besten Kleider, war frisch gewaschen und sehr blass.
    »Wir gehen, Toni. Hab keine Angst. Er kann dir nichts tun. Dafür werde ich sorgen.«

    Apollonia Krieger schlug ein Kreuz, als sie die Otterfrau vor der Türe stehen sah, und ein zweites gleich hinterher, als sie Marie neben ihr erblickte. Dann fiel ihr Blick auf den Jungen, der klein und schmächtig zwischen den beiden Frauen stand.
    »Wir müssen den Weihbischof sprechen«, sagte Marie. »Es ist eine Angelegenheit auf Leben und Tod.«
    »Er wird euch nicht empfangen«, erwiderte sie unfreundlich. »Er mag es nicht, wenn Frauen in sein Haus kommen – und Bettlerkinder schon gar nicht.«
    Kampflustig straffte sie die Schultern und schob die Brust nach vorn.
    »Er wird uns empfangen«, sagte Ava. »Richte ihm schöne Grüße aus – von Gundel.« Sie hatte ihren Fuß schon in der Tür, bevor Apollonia sie zuschlagen konnte. »Wir warten
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