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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle
Autoren: Brigitte Riebe
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geschieht, womit er nicht gerechnet hat, könnte es kein Halten mehr für ihn geben.«
    »Ich bin vorsichtig. Aber meinen Glauben verrate ich trotzdem nicht. Der Lauf der Natur fragt nicht nach unserem dürftigen Menschenwerk. Die Säfte sprießen. Es wird ein neuer Frühling kommen. Und wir werden ihn ehren.«
    »Ein Frühling, den du doch sicherlich mit deinem Braumeister erleben willst.«
    Hanna lachte. »Jetzt redest du wie alle Schwangeren! Das Nest ist auf einmal das Wichtigste.«
    »So ist es. Ich brauche einen sicheren Platz, an dem ich es bauen kann.« Ava begutachtete die löchrige Ferse, dann schaute sie plötzlich Hanna an. »Ich nehm sein Geld«, sagte sie. »Ich nehm es gern. Dank ihm in meinem Namen dafür – und im Namen der Kinder.«
    »Du nimmst sie mit? Alle vier?«
    »In einer Stadt, in der sie Scheiterhaufen errichten, sollen sie nicht leben müssen.« Sie berührte ihren Bauch. »Und das hier, das in mir wächst, erst recht nicht.«
    »Und du? Was ist mit dir? Hast du keine Angst vor dem Weggehen, jetzt, mitten im Winter?«
    »Ich hab schon einmal die Heimat verlassen. Ich kann es wieder tun. Das zu wissen gibt mir Sicherheit.« Sie lächelte. »Und Fische kann ich überall räuchern. Vorausgesetzt, es ist ein Fluss in der Nähe, in dem Mathis fischen kann.«
    Hanna stand auf.
    »Ich werde Mathis bei unseren nächtlichen Treffen vermissen«, sagte sie. »Wir alle werden ihn vermissen. Es gibt nicht viele wie ihn. Und dich natürlich auch!«, fügte sie schnell hinzu.
    Ava lachte.
    »Du musst dir keine Mühe geben, Hanna«, sagte sie. »Ich hab nie wirklich zu euch gehört. Ich gehör nur mir allein. Und das wird so auch so bleiben. Selbst wenn Mathis mit mir geht.«

    Simon war eingeschlafen, lag auf dem Rücken, ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt, das Haar noch feucht vom Liebesschweiß. Sein Mund war leicht geöffnet; ab und zu entwich ein zarter Schnarchlaut, der Adam belustigte.
    Wie ein hübscher, liebestrunkener Faun, dachte er und hätte ihn am liebsten wieder an sich gezogen, um ihn mit einem Kuss zu wecken. Er würde es später tun. Sobald er zurück war.
    Er schlüpfte in seine Kleider, so leise wie möglich, aber Simon schlief fest. Adam fuhr in die Stiefel und zog den schweren Mantel an, um sich vor der beißenden Kälte des frühen Morgens zu schützen.
    Den Beutel mit dem Rosenkranz hatte er schon bereitgelegt. Er nahm ihn noch einmal heraus, bevor er ihn in die Tasche stopfte. Die Farbe war annähernd gleich. Doch wer ihn in der Hand wog, würde den Unterschied schnell bemerken.
    Es kostete ihn Überwindung, das warme Zimmer mit dem schlafenden Geliebten zu verlassen, und als er schließlich vor der Tür stand, entfuhr ihm ein tiefer Seufzer. Er stieg die Treppe hinunter, durchquerte den Hof. Dann war er auf der Straße und lenkte seine Schritte zum Mühlviertel.
    Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Der Schnee knirschte unter ihm, der Himmel war klar, und das viele Weiß ringsumher ließ die Nacht nicht ganz undurchdringlich wirken. Je näher er dem Fluss kam, desto lauter wurde das Rauschen, ein dumpfes, unheimliches Brodeln, als reiße tief unten ein großes Tier an einer Kette, begierig darauf, sie zu sprengen.
    Er sah Förners magere Gestalt schon von weitem, und plötzlich hätte er am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht. Was konnte er schon gegen ihn ausrichten, mitten in der Nacht, auf einem gottverlassenen Steg?
    Der Gedanke an Simons gelöstes Gesicht ließ ihn weitergehen. Förners Drohungen waren unmissverständlich gewesen. Er hatte keine Wahl. Er musste sich mit diesem gnadenlosen Menschen arrangieren.
    »Du kommst spät, Bruder Thies«, sagte Förner. »Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt.«
    »Jetzt bin ich hier.« Er musste fast schreien, um gegen das Donnern des Wassers anzukommen. »Was wollt Ihr von mir?«
    »Das weißt du. Und meine Geduld ist begrenzt. Den Rosenkranz, Thies.«
    »Und der Gegenwert?«
    »Das wagst du zu fragen?«
    »Das frage ich in der Tat.«
    Förner sah sich um.
    »Man versteht ja kaum sein eigenes Wort«, sagte er.
    »DerOrt war Eure Wahl, nicht meine«, sagte Adam. »Also?«
    »Ich werde nichts gegen Simon Sternen unternehmen«, presste Förner heraus.
    »Wie lange? Und wer garantiert mir das?«
    Eine große Welle schwappte über den Brückenboden. Ihre Stiefel wurden nass.
    »Teufelsfluss!« Förner zog seinen Mantel höher. »Ich. Du wirst dich damit zufrieden geben müssen. Hast du den Rosenkranz
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