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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Autoren: Sandra Worth
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Warnungen aussprachen, und schon fühlte ich mich erleichtert. Ihre Worte konnte ich mit der gleichen Leichtigkeit abtun wie das nunmehr ferne Donnergrollen. »Ja, Sœur Madeleine, ich habe verstanden«, sagte ich, um sie zu beruhigen. Meine Stimmung blieb ungetrübt.

2
    D ER T ANZ , 1456
    Beim ersten Ruf des Horns zum Abendessen überquerte ich mit Sœur Madeleine den Burghof. Ein einsamer Stern funkelte am violetten Himmel. Mit klopfendem Herzen stieg ich die Treppe hinauf zur großen Halle. Mit uns schwärmten die anderen Gäste herbei. Das Raunen der Stimmen wurde lauter, je höher wir gelangten, bis uns ein gewaltiger Lärm verriet, dass wir den Gang zur Halle erreicht hatten. Männer und Frauen drängten sich durch den Eingang, manche plauderten angeregt, manche warteten stumm, dass man ihnen einen Platz zuwies. Mehrere schauten im Vorbeigehen zu mir, und ich freute mich über mein schönes Kleid, die Verneigungen und die bewundernden Blicke, die mir folgten.
    Obwohl ich die Vorbereitungen bereits gesehen hatte, konnte ich nicht umhin, über die Pracht der Festhalle zu staunen. Schwerer Rosenduft stieg von den Blättern am Boden auf, und der Saal funkelte von den vielen Fackeln und Kerzen auf Tischen und in Fensternischen. Hinter dem Podest, auf dem Lord Cromwell sitzen würde, knisterte ein Feuer in dem riesigen Kamin mit dem Wappen des Lords. Silber, Zinn und Glasscheiben spiegelten die Flammen, sodass selbst die Fahnen und Gobelins an den vertäfelten Wänden in Lichterglanz getaucht waren.
    Einige Ritter und Damen hatten schon ihre Plätze an den Tischen unter den Fenstern eingenommen, zu denen uns der Haushofmeister führte. Ich entdeckte auch Master Giles und Guy, die man zu den anderen Herolden, Knappen, Sekretären und Schreibern an einen niedrigeren Tisch gesetzt hatte, der für das gemeine Volk reserviert war. Dort standen weder Salz noch Früchte, und anstelle von Zinn und Horn hatten sie Holzschalen und hölzerne Becher vor sich. Master Giles und Guy erhoben und verneigten sich, als wir vorbeigingen, und die Bewunderung in ihren Blicken machte mich noch leichtfüßiger. An unserem Tisch angekommen, stellte ich mit Freuden fest, dass wir neben dem Podest sitzen würden. Nach einer kurzen Begrüßung und einem Nicken von Sœur Madeleine ließ ich mich als Erste neben einen stämmigen, alten Ritter mit rötlichem Gesicht nieder, der aufstand und sich höflich verbeugte. Sœur Madeleine wählte das Ende der Bank und nickte dem Mann übertrieben ernst zu, weshalb ich ihm ein Lächeln schenkte, das ich bald bereuen sollte.
    Weitere Ritter und Damen, Geistliche und andere Leute von Rang gesellten sich zu uns, und mit jedem neuen Gast rückte der Ritter dichter an mich heran, sodass ich wiederum immer näher zur Nonne rutschen musste, bis kein Platz mehr zum Ausweichen war, wenn ich nicht entweder die Schwester von der Bank schubsen oder sie auf die Zudringlichkeit des Ritters aufmerksam machen wollte. Letzteres hätte wiederum eine Szene nach sich gezogen. Also litt ich stumm und versuchte, weder auf seinen Schenkel und die Schulter zu achten, die gegen mich drückten, noch auf die dreisten Blicke zu meinem Ausschnitt.
    Ein plötzlicher Fanfarenstoß ließ sämtliche Gespräche verstummen. Wie alle anderen erhob ich mich hastig und trug so zu dem allgemeinen Stoffrascheln in der Halle bei.
    Mit einem strahlenden Lächeln auf dem rosigen Gesicht und gefolgt von einer Entourage aus Lords und Ladys, betrat Lord Cromwell die Halle. An seinem Arm war eine hübsche, hellhaarige junge Dame, von der ich annahm, dass sie seine Nichte, Lady Maude, sein musste. Früher hatte ich meinen Vater hin und wieder zu Banketten begleitet. In den vergangenen Monaten indes hatte ich mich so sehr an das strenge, karge Klosterleben gewöhnt, dass ich nun fasziniert den farbenfrohen Auftritt bestaunte, den kostbaren Samt, das Gold und die Juwelen. Dann bemerkte ich den Hund am Ende der Prozession. Er zockelte mit solch einer Hochnäsigkeit und sichtlichen Langeweile hinter der Gruppe her, dass ich beinahe laut gelacht hätte. Ich sah zu seinem Herrn und hatte das Gefühl, ihn wiederzuerkennen. Doch woher kannte ich diesen Ritter? Und wenn ich ihm schon einmal begegnet war, wie hatte ich dann dieses Gesicht vergessen können?
    Abgesehen von dem Hund hinter ihm, ging er allein am Ende der Gruppe. Er war schmal von Statur, aber größer als die anderen und breitschultrig. Sein braunes Haar schimmerte im Kerzenschein, und sein Blick
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