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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Autoren: Sandra Worth
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half und mein langes Haar lose auffächerte.
    »Warum?«, fragte ich, halb trunken vor Freude.
    »Du bist zu wunderschön, mit deinem Schwanenhals und den großen Augen, und ich fürchte, es sind Yorkisten bei dem Bankett. Frauenschänder und Mörder allesamt.«
    »Wirklich alle?«, neckte ich sie in meinem Freudenrausch. Ich fragte mich, ob Sœur Madeleine zu viel Wein getrunken hatte. Es war das erste Mal, dass sie mir Komplimente machte, und warum sollte sie? Meine Augen waren braun, nicht blau, mein Haar nicht golden, sondern dunkel wie Kastanien. Hätte ich doch nur einen Spiegel! Aber in der Abtei waren Spiegel verboten gewesen, denn wie uns die Nonnen wiederholt erinnert hatten, waren die einzigen Augen, auf die es ankam, die Gottes. »Ich sah einmal einige Yorkisten«, plapperte ich vergnügt, »und sie schauten mir nicht wie Frauenschänder oder Mörder aus.«
    Sœur Madeleine stieß einen entsetzten Schrei aus, und einen Moment lang fürchtete ich, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben, der mich das Bankett kostete, doch dann sagte sie nur: » Mon Dieu , was wird aus dieser Welt?«
    »Ich fand sie sogar recht passabel«, kicherte ich. Natürlich war ich angetrunken, sonst hätte ich mich niemals zu solch einem Geständnis hinreißen lassen.
    Sie sah mich entgeistert an. »Ich sollte dich der Königin melden!«
    Schmunzelnd neigte ich mich vor und küsste sie auf die Stirn. Eigentlich beugte ich mich schon von allein in Gegenwart von Damen, denn obgleich ich einen Kopf kleiner war als der Großteil der Männer, überragte ich die meisten Frauen. »Aber das tut Ihr nicht, nicht wahr?« Ich lachte. Was mich so kühn machte, wusste ich selbst nicht.
    » Mon enfant , du bist unmöglich. Ich weiß nicht, wieso ich mich von dir um den kleinen Finger wickeln lasse. Es liegt wohl daran, dass ich dich liebe wie eine eigene Tochter. Vielleicht sind es deine dunklen Haare und die Augen, die mich erinnern an …«, sie verstummte und musste sich offenbar fassen, »an Anjou.« Nun nahm ihr Gesicht einen verträumten Ausdruck an.
    Auch ich hing meinen Träumen nach, nur brachte mich das Bild, das ich mir ausmalte, zum Kichern.
    »Was amüsiert dich?«
    »Nichts«, log ich und bemühte mich, ernst zu werden. Ein Erlebnis hatte ich bislang keinem anvertraut, und ganz gewiss würde ich es nicht Sœur Madeleine verraten, egal, wie freudetrunken ich sein mochte. Im vorherigen Frühling war ich in den Norden Yorkshires gereist, um Freundinnen zu besuchen. Nach einem Ausflug mit Picknick auf einer von Wildblumen übersäten Wiese kehrten wir nach Wemsleydale zurück. Singend und lachend fuhren wir auf einem großen Wagen durch den Sonnenschein, während die Blütenblätter der Birnbäume auf uns herabrieselten. An der Biegung des Flusses Ure, noch ein gutes Stück vom Herrenhaus entfernt, teilte sich der Wald, und plötzlich stiegen zwei junge Männer aus dem Fluss. Starr vor Schreck standen sie für einen Augenblick splitternackt da, ehe sie sich besannen und rasch bedeckten. Allerdings hielt einer von ihnen die Hände vor sein Gesicht statt vor seine männlichen Körperstellen. Meine Freundinnen und ich schütteten uns aus vor Lachen und wollten unbedingt mehr sehen. Unterdes fluchten unsere beiden Leibwächter, und der Kutscher peitschte auf die Pferde ein, um möglichst schnell vorbeizukommen. Jener Anblick, das erste Mal, dass wir einen nackten Mann sahen, belustigte uns wochenlang.
    In all den Monaten seither hatte ich nie den einen Mann vergessen, der sein Gesicht bedeckt hatte, und manchmal sah ich ihn sogar im Traum, wenn auch nur flüchtig.
    »Hör mich an, mon enfant «, sagte Sœur Madeleine auf einmal sehr ernst und legte die Hände auf meine Schultern. Ich bekam Angst. »Du bist jung, romantisch, aber du musst vernünftig sein. Für die Liebe ist wenig Platz im Leben. Ein junges Mädchen, das eine Lancastrianerin ist, muss einen Lancastrianer heiraten. Hat sie kein Vermögen, muss sie einen reichen Gemahl wählen, und sei er noch so alt, hässlich und zahnlos; und besitzt sie etwas Land wie du, muss sie einen Mann mit mehr Land wählen. Zu lieben bedeutet, sich empfänglich für Schmerz zu machen, und in dieser Welt voller Wirren und Mühen gibt es bereits genug Schwierigkeiten, ohne dass die Liebe es uns noch schwerer macht. Es ist das Beste, alle Yorkisten als Frauenschänder und Mörder anzusehen. Hast du mich verstanden, Isabelle? Ja?«
    Mir kam der Gedanke, dass alte Menschen immerfort unnötige
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