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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Autoren: Sandra Worth
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wanderte die Halle ab, als suchte er nach jemandem. Ich ahnte, dass es eine junge Dame sein musste, und der Gedanke versetzte mir seltsamerweise einen Stich. Für einen so großen Mann bewegte er sich auffallend elegant und strahlte ritterliche Vornehmheit aus, angefangen bei der hübschen geraden Nase und dem kantigen Kinn bis hin zu den hohen Stiefeln anstelle der spitzen Schuhe der Höflinge. Seine modische Kleidung aus grünem, goldbesticktem Samt täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass er eindeutig mehr Zeit mit Reiten als auf Festen verbrachte. Dafür sprach allein schon sein sonnengebräuntes Gesicht. Eine Stimme in mir regte sich: Ah, ja. Wer immer diejenige sein mag, nach der er Ausschau hält, sie darf sich sehr glücklich schätzen.
    In dem Moment drehte er den Kopf und begegnete meinem Blick. Die Andeutung eines Lächelns umspielte seine Lippen, und auf seinen Wangen zeigten sich kleine Grübchen. Mir stockte der Atem. Ich wusste, dass sein Lächeln nicht mir galt, und dennoch wurde ich rot und senkte den Blick.
    Lord Cromwell nahm seinen Platz in der Mitte des breiten Podests ein und hieß seine Gäste offiziell willkommen. Während er sprach, glaubte ich zu spüren, dass mich der grüne Ritter ansah, bemühte mich aber, nicht hinüber zur Empore zu schauen, wo er saß. Ich lenkte mich ab, indem ich die Schönheiten in der Halle zählte; es waren mindestens vier, und ihre Haare leuchteten wie gesponnenes Gold. Verstohlen blickte ich zu meinem eigenen Haar hinab. Obwohl es dick und glänzend war und mir fast bis zu den Hüften reichte, fühlte es sich auf meinem Rücken gerade wie eine Römerstraße an und wirkte im Kerzenlicht rabenschwarz. Ein Gefühl von Unzulänglichkeit überkam mich. Wäre ich geneigt gewesen, Neid zu empfinden, hätte ich es gewiss in diesem Augenblick. Doch ich bewunderte die blonden Schönheiten um mich herum und fand mich damit ab, dass ich mit ihrem Liebreiz nicht aufwarten konnte. Nein, der Ritter konnte mich nicht bemerkt haben; ich bildete es mir bloß ein, wünschte mir, es wäre so. Wünschte …
    Mir fielen die Worte ein, die mein Vater oft gesagt hatte: »Sei zufrieden und bedenke, dass es stets jene gibt, die mehr haben als du, und stets solche, die weniger haben.«
    Also beschloss ich, mich glücklich zu schätzen. Ich hatte gebeten, auf das Fest zu dürfen, und nun würde ich es genießen, so gut ich konnte.
    Nach dem Dankgebet schenkten die Diener Rosenwasser in die Handschälchen. Ich tunkte meine Finger in meines und hielt sie einem Diener hin, der sie mit einem Leinentuch trocknete. Nachdem sich alle die Hände gesäubert hatten, wurden die Schalen fortgeräumt, und der Brotmeister verteilte Brot, Butter und Schweineschmalz, während der Kellermeister und sein Gehilfe Wein und Bier ausschenkten. Die Nonne leerte ihren Becher eilig und ließ ihn nachfüllen.
    »Pah!«, sagte der Ritter neben mir, worauf ich erschrak. Er stellte seinen Weinkelch ab, spuckte auf den Boden und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Der Wein ist sauer und schmeckt nach Pech! Kann unser Lord sich keinen besseren leisten?«
    »Wo hattet Ihr besseren?«, erwiderte jemand weiter unten am Tisch. »Verratet es uns, dann gehen wir dorthin!« Diese Bemerkung erntete einiges Gelächter.
    »Ihr irrt Euch, Monsieur. Der Wein ist exzellent, sehr gut sogar«, verkündete Sœur Madeleine, die ihren Kelch wieder an die Lippen setzte und einen kräftigen Schluck nahm. »Da er aus Bordeaux kommt, kann es daran keinen Zweifel geben.«
    Ich nippte an meinem Wein. Er schmeckte nach Pech, doch in der Abtei war der Wein schlimmer: so ölig, fad und trübe von Ablagerungen, dass ich beim Trinken jedes Mal die Augen geschlossen und ihn durch meine Zähne gefiltert hatte. Die Schwester hatte recht. Verglichen mit dem Klosterwein, war dieser hier sehr gut.
    Der Ritter tat ihren Widerspruch mit einem »Hmpf« ab, das keinen Zweifel daran ließ, wie er in der Sache dachte, und wandte sich der frischen Heringspastete zu, die mit Ingwer, Pfeffer und Zimt gewürzt war und ihm eben auf den Teller gelegt wurde. Als er den Arm vor mir ausstreckte, um seine Pastete ins Salz zu stippen, schlug mir sein Knoblauchatem entgegen, und mir verging der Appetit.
    »Was denn, esst Ihr nicht?«, fragte er mit vollem Mund, riss sich ein Stück Brot ab und bestrich es dick mit Schweineschmalz. »Eine junge Dame wie Ihr sollte den Appetit auf das Leben noch nicht verloren haben.« Er zwinkerte mir zu und drückte den
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