Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
Prolog
    Der ewige Kreislauf
    des Lebens im System der
    Konföderierten Nationen
     
    1001
     
     
    »Sie haben Mist gebaut, Mr Gates.«
    Ich befand mich in der East Side von Old New York, auf der alten Insel. Eine echte Absteige: kein Dach, der schlechteste Gin, von dem ich jemals zu viel getrunken hatte, und nirgends ein bekanntes Gesicht. Es war kalt, ich fühlte mich fiebrig und verschwitzt – ich fühlte mich richtig Scheiße, und mit jedem Becher von diesem billigen Fusel, den ich aus meinen schwindenden Yen-Vorräten bezahlte, wurde es schlimmer. Ich wusste nicht genau, woraus sie dieses Zeug eigentlich herstellten -bestenfalls wohl Farbverdünner, nahm ich an –, aber es war einfach scheußlich.
    Sofort standen der Mann zu meiner Rechten und die grauhaarige, einäugige Frau zu meiner Linken auf und gingen davon, ihre Becher in der Hand. Niemand sonst an diesem Tisch blickte mich auch nur an. Falls jemand mich hier an diesem Tisch umbringen sollte, würden die Gäste mich einfach auf den Boden rollen und dann sofort wieder vergessen. Ich hatte hier keinen einzigen Freund. Das war nicht mein Teil der Stadt.
    Aber diese Stimme kannte ich. Ich umklammerte meinen Becher noch fester und sah mich rasch im ganzen Raum um, ohne dabei den Kopf zu bewegen. Die Spelunke war überfüllt, wie jede andere illegale Ginkneipe in New York auch. Eigentlich war das hier lediglich das Erdgeschoss eines eingestürzten Gebäudes, das mittlerweile nur noch aus rissigem grauen Beton und geborstenen Stahlstreben bestand, aus uralten Graffiti und angetrocknetem Blut. Nächste Woche würde diese Ruine schon wieder leer stehen, staubig und in ewigem Halbdunkel gefangen, und die Woche darauf würde hier dann eine neue Kneipe ›eröffnen‹, die ihren Sprit dann wohl aus alten Gummireifen brennen würde, oder aus Glasscherben, oder aus irgendetwas ähnlich Abscheulichem. Sämtliche Wände dieses Raumes wirkten, als seien sie einfach Überreste: Das gesamte obere Stockwerk war fort – zerstört vom Zahn der Zeit, bei gewaltsamen Ausschreitungen und durch die Verdrängungsfelder mehrerer hundert Schweber, wann immer System-Cops Leute wie mich durch die Straßen jagten. Tische und Stühle hatte man aus dem Müll zusammengeklaubt; alles zusammen ergab ein unpassendes Stückwerk aus ungleichen Möbelstücken und unglücklichen Leute.
    »Sie haben richtig Scheiße gebaut, Mr Cates«, betonte die Stimme, und eine Hand legte sich auf meine Schulter.
    Ich bildete mir ein, unmittelbar hinter mir schon die Klinge zu spüren. Ich hatte bereits genug ›Kneipen-Hinrichtungen‹ miterlebt, um mich damit auszukennen – irgendein Kerl stellt sich hinter einen, sagt irgendetwas, legt einem die Hand auf die Schulter, um die Hebelwirkung besser nutzen zu können, und dann gibt es ein Messer in den Rücken, schräg nach oben, sodass das Opfer halb gelähmt ist und nur sehr wenig Blut verliert. An sich ja auch keine schlechte Vorgehensweise – abgesehen von der kleinen Ansprache, die eben immer dazugehörte. Damit verschenkte man das Überraschungsmoment. Mein Blick zuckte von einem kleinen Haufen aufgestapelter Steine zu einer Horde hängeschultriger Habenichtse, die sich zwischen den anderen Gästen hindurchdrängten und einen verrosteten Stahltisch an der gegenüberliegenden Wand ansteuerten. Zwei an die Tischbeine angeschweißte flache Metallplanken dienten als Sitzflächen. Stabil genug sah es ja aus.
    Mein Herz hämmerte, also holte ich tief Luft und blickte zu den Sicherheitsdienstlern hinüber, die ich bislang erkannt hatte. Ich schätzte, sie würden ungefähr zwanzig Sekunden brauchen, um mich zu erreichen. Ich hatte Leute schon in kürzerer Zeit umgebracht.
    Diese ganze Scheiße hörte einfach nicht mehr auf! Der Abend war nicht allzu gut gelaufen, und ich war nicht in der Stimmung, miterleben zu müssen, dass er noch schlimmer wurde. Ich bewegte mich nicht sofort – nur Arschlöcher zuckten zusammen: diese Arschlöcher, die glaubten, es sei schwieriger, ein Ziel zu treffen, das immer in Bewegung blieb. Solche Arschlöcher schlugen ständig um sich. Ich wusste es besser. Ich war nicht umsonst der Älteste in diesem Raum. Während die schwere Hand auf meiner Schulter lag und mein Schlüsselbein kräftig umklammerte, um möglichst einschüchternd zu wirken, nahm ich mir einige Sekunden Zeit, meine Umgebung zu sondieren.
    Ich sah alles -jedes Gesicht, jede Sitzposition, jeden Stuhl, jeden Tisch und jeden Schutthaufen, auf denen die anderen Gäste
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher