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Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Autoren: Steve Hamilton
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Kapitel 1
    In meiner Brust steckt eine Kugel, weniger als einen Zentimeter vom Herzen entfernt. Ich denke nicht mehr oft daran. Sie ist jetzt einfach ein Teil von mir. Aber hin und wieder, in bestimmten Nächten, denke ich an diese Kugel. Ich spüre ihr Gewicht in mir. Ich spüre ihre metallene Härte. Und obwohl diese Kugel sich in meinem Körper seit vierzehn Jahren wärmt, fühlt sich in einer Nacht wie dieser, wenn es dunkel genug ist und der Wind bläst, die Kugel so kalt an wie die Nacht selbst.
    Es war der Abend von Halloween, der mich immer an meine Zeit bei der Polizei denken läßt. Mit dem Dasein eines Polizisten in Detroit an Halloween läßt sich nichts vergleichen. Die Kinder tragen Masken, aber anstatt Süßigkeiten zu verlangen, brennen sie Häuser nieder. Am Tage drauf können es durchaus vierzig oder fünfzig Häuser sein, die zu Skeletten reduziert wurden und immer noch qualmen. Jeder Polizist ist auf den Straßen unterwegs, hält nach Kindern mit Benzinkanistern Ausschau, um die Brände zu melden, bevor sie außer Kontrolle geraten. Nur eins ist schlimmer, als am Abend von Halloween Polizist in Detroit zu sein – Feuerwehrmann in Detroit zu sein.
    Aber das war lange her. Vierzehn Jahre, seit mich die Kugel traf, vierzehn Jahre und gut fünfhundert Kilometer her, stracks nach Süden. Es hätte genausogut auf einem anderen Planeten passiert sein können, in einem anderen Leben.
    Paradise, Michigan, ist eine kleine Stadt auf der Oberen Halbinsel, am Ufer des Lake Superior, genauer an der Whitefish Bay gegenüber von Sault Ste. Marie oder »dem Soo«, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen. Am Abend von Halloween sieht man hier vielleicht ein paar Papiergespenster in den Bäumen, die der Wind vom See her peitscht. Oder man sieht vielleicht einen Wagen voller kostümierter Kinder, die zu einer Party gebracht werden, und Hexen und Piraten starren dich durchs Rückfenster an, wenn du am einzigen rotblinkenden Stoplicht der Stadt wartest. Vielleicht steht Jackie auch mit seiner Gorillamaske hinter dem Tresen, wenn du in die Kneipe kommst. Dem alten Witz zufolge packt dich erst die Panik, daß du losschreist, wenn er die Maske abnimmt.
    Sieht man von all dem ab, ist ein Halloweenabend in Paradise nicht viel anders als ein normaler Oktoberabend – Kiefern, Wolken und eine erste Ahnung von Schnee in der Luft. Und der größte, kälteste, tiefste See in der ganzen Welt wartet darauf, zum Novembermonster zu werden.
    Ich fuhr meinen Kleinlaster auf den Parkplatz des Glasgow Inn. Die Stammgäste waren sicher schon alle da. Schließlich war es unser Pokerabend. Da ich zwei Stunden zu spät war, war klar, daß sie schon ohne mich angefangen hatten. Ich hatte den ganzen Abend drüben in Rosedale auf dem Gelände für Wohnwagen und Mobilhäuser mit Klinkenputzen verbracht. Ein hiesiger Bauunternehmer wollte ein neues Mobilhaus aufstellen, als es umgekippt war und einem der Arbeiter die Beine zerschmettert hatte. Er war noch nicht länger als eine Stunde im Krankenhaus, als der ehrenwerte Lane Uttley bereits an seinem Bett saß und ihm den besten Rechtsbeistand anbot, den man für ein Erfolgshonorar von fünfzig Prozent erwarten konnte. Vermutlich würde man sich rasch außergerichtlich einigen, hatte er mir am Telefon gesagt, aber es war immer gut, einen Zeugen für den Fall zu haben, daß sie es auf einen Prozeß ankommen ließen. Jemanden, der aussagen konnte, nein, der Mann war nicht sturzbetrunken, und er wollte auch niemandem damit imponieren, daß er das fünf Tonnen schwere Haus auf der Nasenspitze balancierte.
    Ich begann am Unfallort. Es war ein seltsamer Anblick, das gekippte Haus hatte sich mit seiner vom Aufprall zerstörten Ecke in die Erde gebohrt. Ich klapperte Haus für Haus ab, während die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwand. Viel Glück hatte ich dabei nicht; nur ein paar Türen, die mir vor der Nase zugeschlagen wurden, und ein Hund, der eine größere Stoffprobe von meinem Hosenbein nahm. Seit etwa sechs Monaten hatte ich dem Job als Privatdetektiv eine Chance geben wollen. Allzu gut ließ es sich nicht an.
    Schließlich fand ich doch eine Frau, die zugab, den Vorgang beobachtet zu haben. Nachdem sie beschrieben hatte, was sie gesehen hatte, fragte sie mich, ob da nicht auch ein paar Dollars für sie drin wären. Ich sagte, das müsse sie mit Mr.   Uttley besprechen. Ich ließ ihr seine Karte da: »Lane Uttley, Rechtsanwalt, Spezialist für Personenschäden, Arbeitsunfälle,
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