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Unter Sternenjägern

Unter Sternenjägern

Titel: Unter Sternenjägern
Autoren: Jo Clayton
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1
     
    Der Faras suchte sich geziert seinen Weg zwischen den verstreuten Felsen hindurch und begann, am Rande der Böschung entlangzugehen. Der Sawasawa-Talboden tief unten erstreckte sich trocken und leblos in blaue Fernen, vereinzelte Flecken von Juapepo wucherten darauf wie Haarbüschel auf einer räudigen Katze. Rote Staubschleier erhoben sich, ritten den Wind in kurzen, ruckartigen Stößen und sanken dann wieder zu Boden. „Eine lange Zeit fort, Shindi.“ Er beugte sich vor und kraulte die Bürstenschnittmähne seines Reittieres am unteren Teil. Der Faras warf seinen gehörnten Schädel zurück und schnaubte vor Freude. Manoreh gluckste. „Lauf zu den Weiden, und dann wälze dich im nassen Gras. Bald werden wir beide zu Hause sein.“ Er schlug auf die über seine Schulter gehängte Tasche und lächelte beim Rascheln des Pergaments darin. „Mit einem guten neuen Stück Land, kartografiert für den Direktor.“
    Jua Churukuu, die Sonne, hing tief im Osten. Er schielte mit dunklen, indigoblauen Augen zu der limonengrünen Sonne hinauf, schob eine langfingrige Hand über das drahtige Gewirr seines Indigo-Haares. Im stärker werdenden Licht wurden die schwachen Schuppenmarkierungen auf seiner silbrig-grünen Haut ein bißchen deutlicher.
    Er bewegte sich im Sattel. „Morgen abend, Shindi“, murmelte er. „Du wirst auf deiner Weide sein, und ich …“ Er verzog das Gesicht. „Ich werde Kobes Beleidigungen schlucken und mich mit Kitosime streiten.“
    Die geteilten Hufe des Faras klapperten rasch über das Gestein, das winzige Geräusch hämmerte im leisen Flüstern des Windes. Die Erinnerung an seine letzte Begegnung mit seiner Frau war ihm noch lebhaft im Sinn, obwohl seither sechs Monate vorbeigetrieben waren. Eine lange Zeit, dachte er. Zu lange? Sie will, daß ich das Land meines Vaters übernehme und von Kobe weggehe. Das Land meines Vaters … Harte, schmerzliche Erinnerungen. Eine Reihe von Körpern, die sich ausdehnte, weit ausdehnte. Endlos. Seine Lippen zogen sich zusammen. Nein! Nie! Mögen auf diesem Land Unkraut und Ungeziefer gedeihen! Er blickte auf die Sawasawa hinunter, sie war jetzt näher, da die Böschungen abflachten und sich in kleinen Wellen aus Hügelland senkten.
    Die Staubwolken schienen dichter, wie sie dort in karmesinrotem Dunst über dem Gestrüpp schwebten. Manoreh runzelte die Stirn. Dort unten bewegte sich etwas. Er zügelte den Faras, beugte sich vor, strengte sich an, den Dunst mit seinen Blicken zu durchdringen.
    Weiße Blitze verdichteten sich zu einer ausgefransten Decke, die den Boden und das Gestrüpp vollkommen bedeckte. Hasen. Ein Hasenmarsch. „Meme Kalamah, Mutter beschütze uns“, flüsterte er. „So viele von ihnen. Ich habe noch nie so viele gesehen … Diesmal fegen sie alles kahl … Jeden … Ah!“ Er stöhnte. „So viele … so viele … so viele …“ Seine Hände begannen zu zittern. Er sah wieder die Leichen seiner Angehörigen. Die Watuk-Blindwut entzündete sich und erfüllte ihn. Er hob den Kopf und heulte.
    Der Faras tänzelte herum, ruckte mit dem Schädel hin und her. Für einen Augenblick hielt Manorehs Körper automatisch das Gleichgewicht, während er tiefer in die unkontrollierbare Wut versank, die ihn wie einen Lappen schüttelte und in die FÜHLEN-Zentren des Faras hineinschlug. Dann keilte das Tier aus, bäumte sich mit einem schrillen, heulenden Jaulen auf und schleuderte ihn von seinem Rücken, daß er hart auf den Fels krachte. Dann rannte der Faras blindlings davon, suchte sich jedoch trotz seiner Panik den leichtesten Weg und ließ Manoreh auf dem Fels ausgestreckt zurück; träge quoll das Blut aus einer kurzen Rißwunde an seinem Kopf.
    Als Manoreh erwachte, schien ihm die Sonne direkt in die Augen. Er setzte sich langsam auf, griff sich an seinen pochenden Kopf. Dann fiel ihm der Hasenmarsch ein, und er erhob sich knurrend. Einen Moment lang stand er schwankend, mit geschlossenen Augen, pochendem Schädel, dann zwang er sich, ins Tal hinunterzublicken. Die Horde zog noch immer vorbei, sie schien kein Ende zu haben. Er rieb sich die Augen. Ein Gewicht lastete schwer auf ihm. Haribu, dachte er. Treibt sie an. Er preßte eine Hand gegen den Kopf. Die Pächter … muß sie warnen … Kitosime …
    Manoreh stolperte vom Rand der Klippe weg und begann, den kaum erkennbaren Pfad entlangzugehen. Bei jedem Schritt schickte ihm das Stampfen seiner Stiefel auf dem Gestein stechende Blitze aus Licht und Schmerz in sein Gehirn. Verbissen
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