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Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Autoren: Steve Hamilton
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Soiree finden kann, aber kein Problem für Edwin. Er war ausstaffiert mit seinem besten grauen Anzug, einem anthrazitfarbenen Überzieher und trug einen roten Schal lässig um den Hals geschlungen. Offenbar war der Anzug so geschnitten, daß er darin größer wirken sollte, aber so viel richtete der auch nicht aus. Er war immer noch zwanzig Zentimeter kleiner als seine Frau.
    Sylvia trug einen fußlangen Pelzmantel. Ich hätte auf Fuchs getippt. Zwanzig von ihnen hatte man bestimmt gebraucht, um diesen Mantel zu machen. Ihre schwarzen Haare trug sie hochgesteckt, und als sie den Mantel auszog, kriegten wir alle ein kleines Schwarzes zu sehen, das ihre Beine und ihre perfekten Schultern voll zur Geltung brachte. Gottverdammich, hatte die Frau Schultern. Und selbst an einem kalten Abend mußte sie daherkommen und so was tragen. Sie wußte, daß jeder Mann in der Kneipe sie anstarrte, und doch hatte ich das perverse Gefühl, daß sie ihren Mantel gar nicht ausgezogen hätte, wenn ich nicht dagewesen wäre. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, der mich mehr schmerzte als Prudells Schlüssel.
    Edwin winkte mir kurz zu, während er zwei schnell zu mixende Drinks bestellte. Er hatte den speziellen Gesichtsausdruck, diese völlig unbewegliche Miene, die er immer aufsetzte, wenn er sich mit seiner Frau in der Öffentlichkeit zeigte.
    »Nun erklär mir mal einer«, sagte Jackie in die Runde, »wie kann eine Frau wie die bei einem so kompletten Pferdearsch wie Edwin Fulton landen?«
    »Ich denke, das hat etwas damit zu tun, wieviel Geld einer hat«, sagte Rudy.
    »Du meinst, wenn ich ’ne Million Dollars hätte, säße sie jetzt auf meinem Schoß?«
    »Das weiß ich nun auch wieder nicht«, meinte Rudy. »Wenn ’n Kerl so häßlich ist wie du, braucht er vielleicht fünf Millionen.«
    Sie blieben nicht lange. Ein Drink, und weg waren sie. Nur ein kurzer Stop, um den Einheimischen zu imponieren, und weiter ging’s. Sie warf mir noch einen Blick zu, als Edwin ihr in den Mantel half. Was auch immer sie erzielen wollte, hatte sie offenbar erzielt.
    Ich mußte weiter an sie denken, während ich Poker spielte. Das half mir nicht gerade, mich auf meine Karten zu konzentrieren, und meiner Stimmung half es auch nicht. Draußen frischte der Wind jetzt merklich auf. Wir hörten ihn an den Fenstern rappeln.
    »Die Novemberwinde kommen früh«, sagte Jackie.
    »Es ist nach Mitternacht«, sagte Rudy. »Jetzt haben wir den ersten November. Sie sind einfach pünktlich.«
    »Ich danke für die Belehrung.«
    Etwa eine Stunde später kam Edwin in die Kneipe zurück. Diesmal war er alleine. Er stand eine Zeitlang am Tresen, diesmal mit Armsündermiene und der Hoffnung, daß ich ihn bemerkte. Ich war froh, daß er keinen Versuch machte, zu uns an den Tisch zu kommen. Er hatte wirklich einmal mit uns gespielt und sein Geld so schnell verloren, wie man es nur verlieren kann, wenn man um kleine Einsätze pokert. Aber es macht keinen Spaß, einem Mann Geld abzuknöpfen, von dem man weiß, daß es ihm überhaupt nichts bedeutet. Und dann jammerte er noch rum, als sei er plötzlich wirklich einer von den alten Kumpels. Wir haben ihn nie wieder zum Mitspielen aufgefordert.
    An den meisten Abenden wäre ich wenigstens für eine Minute zu ihm gegangen und hätte ihn gefragt, wie es ihm geht. Ich weiß nicht, ob er mir einfach leid tut oder ob ich mich ihm gegenüber schuldig fühle wegen der Sache mit Sylvia. Aber vielleicht mochte ich ihn ja auch. Vielleicht hielt ich ihn für meinen Freund, trotz allem, was allzu deutlich dagegen sprach. Aber heute war mir einfach nicht danach. Ich ließ ihn am Tresen stehen, bis er es schließlich aufgab und ging.
    Sobald er die Tür hinter sich zugezogen hatte, spürte ich mein schlechtes Gewissen. »Ich denke, ich mach Schluß für heute, Jungs«, sagte ich. Ich hoffte, ich würde ihn noch auf dem Parkplatz erwischen, aber als ich draußen war, war er bereits verschwunden.
    Auf der Fahrt nach Hause gibt es ein Stück Hauptstraße, wo die Bäume zurücktreten und man einen wunderbaren Blick auf den See hat. Es fiel nur wenig Mondlicht durch die Wolken, aber es reichte aus, um zu erkennen, daß die Wellen anschwollen, vielleicht auf anderthalb Meter. Ich spürte, wie der Wagen bei der Fahrt im Wind schaukelte. Irgendwo da draußen, drei- oder vierhundert Meter unter den Wellen, schliefen noch immer neunundzwanzig Mann, zwanzig Jahre, nachdem die Edmund Fitzgerald gesunken war. Ich wette, das ist eine Nacht wie diese
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