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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit
Autoren: Helmut W. Pesch
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hatte.
    »In libro quodam … «, begann er, fiel dann unwillkürlich in die Gemeine Sprache zurück: »Ich habe davon in einem Buch gelesen«, sagte er halblaut, »aber an den Titel und den Verfasser kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    Das Gemurmel unter den Zuhörern schwoll an, bis der Rektor sich gezwungen sah, mit seinem Zepter auf den Tisch zu klopfen. »Silentium!« , gebot er. Und dann, an den sprachlosen Kandidaten gewandt: »Das wird uns nicht genügen, wenn du nicht verlässliche Zeugen für die Existenz dieses Werkes benennen kannst.«
    Kim sah sich hilflos um. In diesem Augenblick erhob sich jemand in der hintersten Reihe des Auditoriums. Er war in die schlichte braune Robe eines Baccalaureus gekleidet. Seine Stimme trug klar und deutlich durch den ganzen Raum.
    »Ich kann es bezeugen. Ich habe dieses Buch selbst in Händen gehalten.«
    »Und wer bist du?«, giftete der Adversarius.
    »Fabianus Alexis, Baccalaureus Artium Civisque Universitatis Altae Thurionis.«
    Geraune wurde laut. »Der Kaiser, es ist der Kaiser!«
    Ein weiterer Zuhörer erhob sich, eine schlanke Gestalt, gleichermaßen gewandet. »Ich ebenfalls. Gilfalas Talariensis, Baccalaureus Artium Civisque Universitatis … «
    »Und ich«, fiel ihm ein dritter ins Wort, kleiner und stämmiger, von einem stattlichen Umfang, über dem sich die braune Robe spannte, »Burorinus Balorini Filius, Baccalaureus und so weiter und so fort. Und den Esel«, fügte er hinzu, »kenne ich auch.«
    Magister Quasinus war rot angelaufen. Der Rektor lächelte maliziös. »Nun, genügen Euch die Zeugnisse dieser untadeligen Scholaren, verehrter Collega?«, säuselte er. Und mit unterdrückter Stimme fügte er hinzu: »Mach dich nicht selbst zum asinus , Quasinus!«
    Der schluckte die Galle hinunter, die ihm in den Hals gestiegen war. Mit einem lauten Schlag klappte er den Folianten zu. »Quod concedendum est.«
    Und so wurde Kimberon Veit die rote Robe umgelegt und das rotsamtene Barett aufs Haupt gedrückt, und der Rektor sprach die Worte, wie sie diesen feierlichen Akt seit Jahrhunderten begleitet hatten:
    »Ego pro tempore Universitatis Altae Thurionis Ordinarius te Cimberonum magistrum nomino, nominatum pronuntio, pronuntiatum proclamo. – Gratulor!«
    In der Nacht, nachdem die Feierlichkeiten zu Ende waren, saßen Kimberon und seine Freunde noch lange zusammen im ›Schwarzen Walfische und tranken einen Humpen um den anderen leer, bis ihnen die Köpfe voll wurden.
    Irgendwann lehnte sich Magister Kimberon zu seinem Freund, dem Kaiser, hinüber und fragte mit lallender Zunge: »Sag mir, F-fabian, das mit dem Buch … und dem Esel … ihr habt mir doch nur helfen wollen? … Und das ist irgendwie nicht recht … weil es nämlich flasch … äh … falsch ist …«
    Aber Fabian, selbst schon alles andere als nüchtern, wollte es nicht zugeben. »Es hat schon alles seine Richtigkeit … und mit der Zeit, mein Freund … eines Tages …«
    »Oh«, sagte Kim.
    Aber der Tag, an dem sich das alles klären sollte, kam und kam nicht, und irgendwann vergaß Kim die ganze Sache, fürs Erste.
    Ein Jahr ging ins Land und dann ein weiteres, und in dem ewigen Kreislauf von Wachsen und Vergehen fügte sich eins ins andere. Aus dem Imperium kam die Nachricht, auf dem Amtswege, dass Kaiser Fabian und seine Königin Eltern eines gesunden Thronfolgers geworden seien, dem man den Namen Talmond Julian gegeben habe. Kim schickte seine Glückwünsche auf einem Blatt feinen Büttenpapiers in seiner gestochenen Gelehrtenhandschrift, und dann vergaß er auch dies.
    Aus dem ursprünglichen Plan, dass die Ringträger sich in jedem Jahr einmal zu Aldswick wiedertreffen sollten, war eine Verabredung geworden, dieses Treffen zumindest alle sieben Jahre zu wiederholen. Dem Kaiser des Imperiums war es kaum zuzumuten, jedes Jahr eine so weite Reise zu unternehmen, und auch die anderen hatten ihre Pflichten, jeder auf seine Art. Dennoch war Kim enttäuscht, als zu dem ersten Wiedersehen dieser Art nur Erzmeister Gregorin erschien, unverändert wie eh und je.
    Doch wie er in Bälde erfuhr, hatten die anderen alle andere Sorgen. Fabian hatte in den Krieg ziehen müssen gegen die aufständischen Cardassier in den Ostprovinzen. Gilfalas war seinem Vater, König Inglorion, nach dessen Entschlafen auf den Thron von Talariël gefolgt. Burorin zog es vor, seine hochschwangere Frau nicht im Stich zu lassen, und von den Gnomen in den Tiefen Zarakthrôrs hatte man schon seit zwei Jahren nichts mehr
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