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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit
Autoren: Helmut W. Pesch
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ist, wohin wir immer gehn,
Die Welt auch noch so weit,
Einst werden wir uns wiedersehn
In unserer eignen Zeit.«
    Nur Frau Metaluna ließ sich auch durch ernste Vorhaltungen nicht von dem abbringen, was ihre alten Augen gesehen hatten. Und falls Marina sich später in einer stillen Stunde die ganze Geschichte von Burin erzählen ließ, so hat sie stets darüber geschwiegen – was für eine Ffolksfrau gewiss etwas recht Ungewöhnliches wäre.

EPILOG
    Es gibt noch viele Geschichten, die hier, wie in der wirklichen Welt, nie einer erzählen wird. So wäre zu berichten, wie der junge Alderon Kreuchauff an die Universität von Allathurion ging, allerdings nicht, um Geschichte zu studieren, sondern Ökonomie, und bald nach seinem Baccalaureat die Prinzessin der Gnome ehelichte und wie, nachdem er das Geschäft seines Vaters übernommen hatte, der Handel zwischen Zarakthrôr und dem Elderland aufblühte wie nie zuvor. Oder wie Kaiser Fabian in der Zitadelle von Magna Aureolis gegen den Schatten kämpfte und dabei sein Leben ließ, aber Talmond, sein Sohn, mit dem Schwert seiner Ahnen obsiegte, und wie der junge Kaiser nicht nur die Krone des Reiches empfing, sondern auch die Hand der Tochter des Königs unter dem Berge. Oder von seinem Schwiegervater, Hamaburorin dem Prächtigen, der so dick wurde, dass vier Zwerge ihn auf einer Trage zu seinem Thron schleppen mussten, der aus gewachsenem Stein gehauen war und dennoch unter ihm zerbarst. Und wie eine neue Generation von Ringträgern heranwuchs, Kinder des Menschengeschlechts und der anderen vielfältigen Völker der Mittelreiche.
    Eine Geschichte ist jedoch vielleicht noch zu erwähnen, nur eine kleine Marginalie in den großen Chroniken der Welt. Sie betrifft Magister Kimberon Veit, und sie mag dazu beitragen, ein letztes Geheimnis zu ergründen, das sonst, wie so vieles, ungelöst geblieben wäre.
    Magister Kimberon heiratete nie. Gutsfrau Metaluna Knopff blieb noch einige Jahre bei ihm, bis selbst ihr das Geschäft, für den Magister und sich selbst zu sorgen, zu mühsam wurde, und so nahm sie die Einladung der Godin Marina an, auf deren Hof bei Winder ihren Altersruhesitz zu nehmen. Ihr folgten andere Haushälterinnen, aber keine von ihnen erreichte mehr die Kochkunst, die Marina oder Frau Meta ausgezeichnet hatte. So meinte es zumindest Kim; aber vielleicht verklärt ja das fortschreitende Alter selbst die Erinnerung an Suppentöpfe.
    Der Herr Magister, wie man ihn nun allenthalben nannte, wurde mit der Zeit ein wenig wunderlicher, und manchmal kam er tagelang nicht mehr aus den Tiefen des Museums zum Vorschein. Dann und wann sah man ihn mit seinem Ponykarren auf abgelegenen Landstraßen im Winckel oder im platten Land, und es hieß, dass er nach wie vor den Weg zu den Elben der Überwelt und den Zwergen der Untererde wüsste, aber niemandem verriete, wo dieser verlief.
    Eines Tages, Magister Kimberon hatte die Fünfzig schon weit überschritten, saß er in seiner Bibliothek und las, halb eingenickt, in einem Folianten, einer alten Chronik aus der Gründerzeit des Elderlands, als ein helles Stimmchen ihn aus seinen Betrachtungen aufweckte.
    »Was hattu da?«
    Er blickte hoch und sah in die blassen Augen eines kleinen Mädchens mit hellem Haar, das sich zu ihm in die Bibliothek geschlichen hatte.
    »Wer bist denn du?«, fragte er.
    »Jadi«, sagte sie und begann mit der Selbstverständlichkeit einer Sechsjährigen auf seinen Schoss zu klettern.
    »Jadi?«, meinte Kimberon. »Ich habe einmal eine Jadi gekannt, aber das ist lange her …« Er machte eine Pause, wie dies ältere Menschen schon einmal tun, wenn sie über Vergangenes nachsinnen. »Du bist die Kleine von Kreuchauffs, nicht wahr, Yadira, die Tochter von Alderon und Almiriël?«
    Das Mädchen gab keine Antwort; es hatte etwas viel Interessanteres entdeckt.
    »Was is’n das?«
    »Das ist ein Buch. Darin ist eine Geschichte aufgeschrieben. Die kann man lesen.«
    »Ich will auch lesen.« Sie zeigte mit dem Stupsfinger auf eines der merkwürdigen schwarzen Dinger, die auf der Seite zu sehen waren. »Was heißt das?«
    »Das ist ein ›A‹ …«
    So gewann Magister Kimberon seine begabteste Schülerin, die selbst ihn im Nu überflügeln sollte. Die Wissbegier und der praktische Sinn ihres Vaters, des Ffolksmanns, paarten sich in ihr mit der Fertigkeit der Gnome und dem elbischen Gespür für Schönheit, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie half Kim, das Museum aufzuräumen, und sie erarbeiteten den ersten
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