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Die Herren der Zeit

Die Herren der Zeit

Titel: Die Herren der Zeit
Autoren: Helmut W. Pesch
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in der Küche. Trotz ihrer achtzig Jahre war sie immer noch rüstig, wenn auch ihr Augenlicht in letzter Zeit nachgelassen hatte.
    »Der Herr Magister?«, fragte sie; denn so nannte sie Herrn Kimberon, seit er seinen Titel erworben hatte. »Vor einer halben Stunde habe ich ihn noch hinterm Haus gesehen, zusammen mit den anderen drei Herren; Ihr wisst schon, wen ich meine.« Trotz ihrer langjährigen Bekanntschaft war sie immer ausgesucht höflich zu Marina, wie es der Godin von Elderland gebührte.
    »Aber das kann nicht sein«, wandte Marina ein. »Burin und Gilfalas waren die ganze Zeit vorne im Garten und der Kaiser ebenso.« Sie runzelte die Stirn.
    »Papperlapapp«, grummelte Frau Meta. »Ich weiß doch, was ich gesehen habe.«
    Doch Marina ließ es sich nicht nehmen, selbst hinter dem Haus nachzuschauen; sie wusste, dass Kim die Angewohnheit hatte, wenn er besonders glücklich war oder auch in jenen Momenten, wenn ihn eine unerklärliche Schwermut überkam, an das Grab seines alten Mentors, Magister Adrion, zu gehen und mit ihm stumme Zwiesprache zu halten. Doch die Gräber unter dem alten Baum lagen verwaist da. Sie ging zurück ins Haus, schaute dort im Kaminzimmer nach und warf auch einen Blick in die Studierstube im Obergeschoss, aber es war niemand dort.
    »Er ist nirgends zu finden«, sagte sie, als sie wieder vor die Tür trat. »Ich sollte vielleicht noch im Museum nachsehen …«
    Aber Burin hielt sie auf. »Du wirst ihn dort nicht finden«, sagte er sanft.
    Marina sah ihn an. Der Blick in den Augen des Zwergen war rätselhaft. »Du weißt etwas, das ich nicht weiß«, meinte sie anklagend. Sie warf einen Blick in die Runde. »Ihr wisst es auch, nicht wahr?« Fabian und Gilfalas sahen einander vielsagend an. Ithúriël sagte nichts. Herr Bregorin saß schweigend da und stopfte sich seine Pfeife. Nur Bürgermeister Kreuchauff schien ebenso verdutzt wie sie selbst. »Heraus mit der Sprache!«
    Burin nahm sie in den Arm. »Wir können nur warten«, meinte er. »Aber er wird schon wiederkommen, glaub mir.«
    Doch irgendwie hatte sich ein Schatten über die Runde gelegt. Sie alle hingen ihren Gedanken nach. Selbst Mart Kreuchauff konnte den Speisen und Getränken nicht den rechten Geschmack abgewinnen. »Ach, wenn ich doch noch etwas von dem Sommerwein hätte«, meinte er irgendwann, »den wir vor vielen Jahren getrunken haben, Herr Kimberon, Gutsfrau Metaluna und ich. Dann könnten wir jetzt trinken und glücklich sein.«
    »Wie kommt Ihr gerade jetzt darauf?«, fragte Marina.
    Kreuchauff zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    Da plötzlich hörten sie helle Kinderstimmen. Sie kamen vom Anger her, dem parkähnlichen Gelände südlich des Ffolksmuseums. Kräftig rot, glitzerhell und ockerfarben leuchtete es zwischen den Bäumen. Talmond kam vorausgerannt. »Schaut«, rief er, »wen wir mitgebracht haben.«
    Kaiser Fabian und die anderen hatten sich bereits von ihren Sitzen erhoben.
    »Willkommen«, sagte Fabian.
    Arandur Elohim, der Hohe Elbenfürst, trat aus dem Park hinaus ins Freie. Bei ihm war eine kleine, spitzohrige Gestalt, in dessen braunem Wuschelhaar sich bereits eine Andeutung erster Silberfäden zeigte.
    »Kim!«, Marina lief auf ihn zu. »Wo bist du gewesen? Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.«
    Kimberon sah sie liebevoll an. Er wirkte müde und abgekämpft, als hätte er einen langen Weg hinter sich. An seiner Stirn war ein rotes Mal, wie von einer Brandwunde, sein Kittel war schmutzig und zerrissen, und er trug seine linke Hand in der Tasche. »Ich habe mich ein wenig verirrt«, sagte er, »in der Zeit. Aber nun bin ich heimgekehrt.«
    »Und so schließt sich der Kreis«, sprach der Hohe Elbenfürst. »Dies ist das letzte Mal, dass ich unter euch weilen werde; denn auch meine Zeit neigt sich dem Ende zu. Doch jetzt lasst uns feiern und fröhlich sein. Denn vieles, was verloren war, ist wiedergewonnen, und die Generation unserer Kinder und ihrer Kinder wird unsere Träume weitertragen, bis die Welt endet.«
    So feierten sie an jenem Tag noch lange im bunten Schein der Lampions, aßen und tranken von dem guten dunklen Bier. Und noch lange sprach man in Aldswick von der Legende dieses Abends: dem Tanz der Geister unter den bunten Lichtern, den silberhellen Stimmen der Elben, den dunklen Stimmen der Zwerge und dem Gesang, der das Herz erfüllte:
    »Der Weg führt immer fort und fort,
Und wird er einmal enden,
So weiß ich einen rechten Ort,
Die Schritte hin zu wenden.
    Und
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