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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon
Autoren: Suzanne Frank
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Zeichen für Schafe«, sagte er, auf eine Zeile deutend. »Du hast einen Ziegenbock«, er machte noch eine Kerbe, »vier Lämmer«, neue Kerben, »und acht ausgewachsene Schafe. Stimmt das so?« Er setzte die Markierungen penibel von oben nach unten auf die Scherbe und bewegte sich dabei von rechts nach links. Um die Kerben nicht zu verschmieren, musste er die Hand anheben, wodurch sein ganzer Arm abstand wie ein Flügel.
    »Du hast nur eine Kerbe für die Lämmer und die Schafe ge-macht, und eine für den Ziegenbock«, protestierte sie.
    »Gut beobachtet. Aber diese Zeichen hier«, fuhr er fort, wobei er mit dem Rohr weitere Kerben setzte, »sagen mir, dass du acht Schafe und vier Lämmer hast. Weil ich Ziegenbock nur einmal geschrieben habe, weiß ich, dass du nur einen Ziegenbock hast.«
    »Ich komme gleich wieder«, sagte der Bärtige, wobei er ihr die Schulter tätschelte.
    »Hast du ein Siegel?«, fragte der Kahle.
    Ein Bild, eine Erinnerung?, von einem goldenen Ring mit abgeflachter Seite erschien in ihrem Kopf und löste sich gleich darauf wieder auf. Sie blinzelte verdutzt. »Nein.«
    »Kannst du ein Zeichen für deinen Namen setzen?«
    Sie blickte auf den Griffel, den er ihr hinhielt, und kritzelte dann in den feuchten Lehm.
    »Interessant«, sagte der Mann, dann kopierte er die Liste von Ziegen, Schafen und Lämmern auf eine kleinere Lehmscherbe, die sie ebenfalls unterzeichnen musste.
    »Und was tust du jetzt?«
    Er legte ein Stück Lehm über das erste Stück, bis es ganz abgedeckt war. Dann kritzelte er etwas darauf und ließ sie ein drittes Mal unterzeichnen. »Heute ist der sechzehnte Tag im Mond des Knechts, das habe ich hier notiert. Du bist dieses Zeichen, ich bin jenes Zeichen. Diese Tafel hier wird im großen Archiv aufbewahrt. Wenn du deine Schafe vom Gemeinwesen zurückhaben möchtest, musst du deine Tontafel mitbringen. Wir überprüfen die beiden Tafeln und gehen anschließend deine Schafe holen.«
    »Woher weißt du, welches meine sind?«
    Er sah sie scharf an. »Wenn die Schafe nicht gekennzeichnet sind, dann solltest du überlegen, wie man sie wiedererkennen kann. Das Gemeinwesen ist nicht verantwortlich für mögliche Verluste oder Schäden, die auf falsche Eigentumsansprüche zurückzuführen sind.«
    »Vielen Dank«, sagte sie. »Das werde ich.«
    Die Kahle verschwand durch den Bogen, und sie schaute sich um. Die Gebäude breiteten ihren Schatten über die Straßen, die breit und gerade waren. Überall grünten Bäume und Blumen. Menschen mit Filzröcken eilten vorbei, Männer mit bedeutend wirkenden Umhängen und Korbhüten, Frauen mit Marktkörben und schaukelnden Ohrreifen, Mädchen mit Armreifen und Buben mit Lehmklumpen. Jeder war irgendwohin unterwegs. Und überall lehnten Menschen, in jedem Schatten ruhte jemand und plauderte. Laut oder leise, lachend, brüllend, flehend, drohend. Jeder lärmte, verbreitete Gerüche, nahm Raum ein.
    Dreißigtausend. Was hatte das zu bedeuten? Hier gab es mehr Menschen als Schafe in allen Herden und Bewohner in allen Dörfern, an die sie sich erinnerte oder die sie sich auch nur ausmalen konnte. Waren alle diese Menschen zusammen dreißigtausend? Ihre Hand stahl sich an ihre Kehle, weil sie merkte, wie ihr das Blut im Hals pochte. Stell dir eine Million vor, dachte sie. Das waren erst viele Menschen. Was war wohl eine Million? Ihr dröhnte erneut der Kopf.
    »Macht den Weg frei für den Richter. Richter Eli kommt!«
    Sie wandte sich um. Ein Mann scheuchte mit einem Federfächer die Gehenden aus dem Weg. Hinter ihm kam auf einem Wildesel ein langgesichtiger Alter geritten, gefolgt von vielen Buben mit blanken Gesichtern und Lehmtafeln in der Hand. Die Menschen wurden beiseite geschoben, allen Rufen, Schreien und Protesten zum Trotz, während der Mann sich durch die Menge bewegte wie Wasser über Stein.
    »Weg frei! Der Richter kommt!« Seine Entourage marschierte noch ein kleines Stück weiter, dann an einem großen, schwarzen Stein vorbei und unter einem weiteren Ziegelbogen hindurch.
    Sie starrte dem Zug immer noch hinterher, als der Bärtige ihr die Hand auf die Schulter legte. »Du schmeckst schon mal ein bisschen die hiesige Luft, wie ich sehe. Also, komm mit, Weib.
    Wir haben noch eine Menge zu erledigen. Kalam«, wandte er sich an seinen frisch gewaschen wirkenden Begleiter, der ihnen folgte, »mach eine Liste. Wir werden einige Zeit brauchen, um sie für ihre Begegnung mit dem Lugal vorzubereiten. Lass die Kupferwanne bereitmachen, bestell
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