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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon
Autoren: Suzanne Frank
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dass sie dort und auf der Insel Dilmun lebten.
    Auf Dilmun, hatten sie erzählt, gab es hohe Bäume mit weichen, festen Blättern, ganz anders als Palmwedel. Außerdem gab es dort Obstgärten, in denen auch anderes Obst als Datteln wuchs. Der Boden war trocken, wie während der Sommerzeit in Shinar, aber er platzte nicht auf. Er war feucht und zugleich trocken genug, um das ganze Jahr grün zu bleiben. Die Luft roch angenehm und die Bäume bestanden aus Weihrauch. Das Mädchen würde nach Dilmun auswandern, es würde erkunden, ob es dieses Land gab. Vielleicht würden die Hindus sie aufnehmen. Schließlich konnte sie gut mit Schafen umgehen und trank nicht allzu viel Bier.
    Und so verknotete sie die Tierhaut, balancierte sie auf dem Kopf, warf sich die Decke als Umhang über und machte sich, das Messer fest in der Hand haltend, auf den Marsch nach Süden. Süden war dort, wohin die Flüsse strömten, wenn sie in ihrem Bett blieben. Marschvögel gab es in Hülle und Fülle, und im flachen Wasser tummelten sich die Fische. Sie hatte vielleicht kein Feuer, doch zu essen hatte sie genug.
    Die Sonne brannte ihr auf den Rücken, bis sie schließlich auf Schlamm stieß, mit dem sie sich einschmierte, um sich vor den Stichen der Mücken zu schützen. Beim Gehen hielt sie stets nach Krokodilen Ausschau, und sobald die Sonne schlafen ging, unterbrach sie ihre Wanderung. Nachts machte sie Lärm, um die hungrigen Hyänen zu verscheuchen. Wann immer es möglich war, kletterte sie an der spröden Rinde einer Palme hinauf und machte sich oben im Wipfel ein Nachtlager, wo sie einigermaßen sicher schlafen konnte.
    Das Bild des Gottes mit den goldenen Augen verblasste allmählich. Wie ein Kind plapperte sie sinnlose Worte vor sich hin. Obwohl die Worte keine Bedeutung hatten, gaben sie ihr Trost. »Mimi. Heim. Liebe. Chef. Tu. Gott.« Ihre Zunge schien sich gegen die Worte zu sperren, die keinen Sinn ergaben und ihr zugleich gut taten. Noch hatten die Götter sie nicht entdeckt; und immer noch war sie die einzige Überlebende.
    In der Nacht wurde sie von einem kläglichen Mähen geweckt; ein Schaf, ebenso verlassen wie sie. Sie rief es herbei und hörte gleich darauf ein zweites Tier mähen. Die Tiere kamen aus den Marschen auf die Bäume zugelaufen, in denen sie nächtigte. Hinter ihnen entdeckte sie hungrig glühende Augen und gebleckte Zähne. Hastig rutschte sie den Stamm hinunter und schlug mit ihrem Ruder nach den Verfolgern. Als die Schläge trafen, verzogen sich die Raubtiere heulend in die Dunkelheit. »Schon gut«, versicherte sie den zitternden Schafen. »Ihr seid in Sicherheit. Ich habe euch gefunden.« Sie kuschelten sich neben sie an den Stamm der Palme, und sie schlief erstmals, ohne zu frieren.
    Als sie im Tageslicht erwachte, war es da.
    »Das muss Dilmun sein«, sagte sie zu den Schafen. Weit im Süden erhob sich eine Insel. Ein Teil davon war rot. Sie sammelte ihre Habseligkeiten ein, trieb die Schafe an und beschleunigte ihren Schritt. Den ganzen Tag schien die rote Insel am Rand der Welt zu verharren. Doch bis zum Abend war sie deutlich gewachsen.
    Wie ihre Herde. Inzwischen trieb sie sieben Schafe, zwei Lämmer und einen herumtollenden Ziegenbock vor sich her. Immer noch war keine Menschenseele zu sehen, doch die
    Schafe freuten sich über ihre Gesellschaft. Das Mädchen sang ihnen vor und plapperte Kauderwelsch, während die Tiere glücklich blökend grasten.
    Dilmun wuchs weiter an.
    Inzwischen war der Fluss fast vollständig in sein Bett zurückgekehrt, sodass sie die Bewässerungsgräben und -kanäle erkennen konnte, die hier die grünenden Felder durchschnitten. Wintergerste, in der zweiten Bewässerungszeit. Damit die Gerste so hoch wuchs, wie die Götter es gestatteten, brauchte sie vier Bewässerungen. Während der letzten würde sie noch einmal um ein Zehntel wachsen. Hier war der Fluss nicht über die Ufer getreten; und die Menschen, falls welche am Leben geblieben waren, brauchten nicht zu verhungern.
    Ihre Herde wuchs ständig weiter an; nachts wachte sie von ihrem Ausguck in einem Baum über sie. In der Morgendämmerung blickte sie von ihrem Ausguck auf Dilmun. Es war ganz bestimmt Dilmun, denn nichts sonst konnte so wunderschön sein. Grüne Felder umgaben es, und Bäume, hoch wie Dattelbäume, aber mit anderen Blättern, wuchsen in ordentlichen Reihen. Als ständen sie im Gemüsegarten eines Riesen.
    Fast bis in den Himmel erhob sich die Insel mit ihrem hohen Kern, der aus blauen und grünen und
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