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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Schulterhalfter mit der Dienstwaffe, schnallte es um und schrie ins Nebenzimmer: »Dodo! Ist der Wagen aufgetankt? – Wir fahren!«
    * * *
    Auf dem Podium gab es nur Männer. Vor ihnen stand die Reihe der Pokale. Sie glitzerte im Scheinwerferlicht des ›Borromeo‹.
    Auch die vorderen beiden Stuhlreihen waren mit Männern besetzt. Ihre Köpfe waren nichts als schwarze Schattenrisse … Irgendein dicker, weißhaariger Tessiner hielt sich am Mikrofon fest und schwang eine Rede. Die Segler klatschten frenetisch, Richard, mittendrin, wedelte mit den Armen, ganz so, als könne er jedes Wort Tessiner Dialekt verstehen.
    »Dio mio , das dauert! Das kenn' ich.«
    Tina Rossi rief es in Isabellas Ohr und drückte dabei schwesterlich ihren Arm. Ihr Mann Toni lieferte Tina derartige Feste und Vereinshöhepunkte am laufenden Band.
    Isabella nickte erschöpft.
    »Da sind sie nun mal wie die Kinder, come i figli .«
    Tina und Toni bildeten gemeinsam Richards Stützpunkt in Ascona. Waren Steuern zu bezahlen, die ›Phönix‹ zu überholen, gab's Ärger mit dem Haus – die Rossis brachten es in Ordnung. Und Toni verdiente ganz gut dabei. Isabella mochte die beiden, sie hatte alles gemocht, ihr Lachen, die endlosen Essen, den Wein, die ganze Tessiner ›allegria‹ oder wie immer man es nennen wollte – heute ging es ihr auf die Nerven, einschließlich Tinas mütterlichem Getue.
    Toni war ein ›Supertyp‹ – einer von vielen, Richard hatte sie über die ganze Welt verstreut: Männerfreundschaften, Supertypen, die ihm dann zu Weihnachten Bildpostkarten oder Faxe schickten, sie saßen in Kenia oder in Burma, er hatte Freunde auf den Bahamas wie in Südamerika. »Ich kann's nun mal mit Männern«, verkündete er, wenn sie in Isabellas Wohnung gemeinsam Videos von Segeltörns und Jeepsafaris betrachteten. »Ich find's ja auch gut. Ist das eine Sünde?«
    Am Anfang hatte es ihr imponiert. Ein Macho? Wieso nicht! Vermutlich war er das auch im Gericht, galt auch dort als Draufgänger, eisern, messerscharf, brillant und gnadenlos … Und dann, war er bei Ermittlungen oder stand er im Gerichtssaal, war's vorbei mit den Männerfreundschaften …
    Doch heute … Hinter ihren Schläfen breitete sich ein feiner, schabender Schmerz aus. Tina prostete ihr lächelnd zu.
    Sie griff nach ihrem boccalino mit Merlot, der Wein schmeckte diesmal rauh und bitter.
    Und wieder eine Beifallssalve!
    Der große Restaurantgarten mit seinen Steintischen und Rebenpergolas schien ihr wie ein Gefängnis. Sie beneidete Tina, eine Tina Rossi nahm den ganzen Was-sind-wir-doch-für-Supertypen-Aufmarsch überhaupt nicht zur Kenntnis, ihre Welt war geordnet, für sie waren Männer Kinder und konnten sich somit alles leisten – zumindest beinahe alles.
    Tina setzte ihre goldene, mit Straßsplittern besetzte Brille auf die Nase, beäugte mit ihren großen, dunklen Augen das Podium, nahm die Brille ab, klappte sie wieder zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Ach, Isa! Ich bin schon froh, daß Ricardo mit dir in die Villa kommt … Was macht denn seine Frau? Will er sich scheiden lassen? Ich hab' sie nur dreimal hier gesehen, non mi piaceva per niente , so komisch, so kalt – ja, in der Villa war's jedesmal richtig kalt, wenn sie da war …«
    Bloß nicht dieses Thema! dachte Isabella und trank aus lauter Verzweiflung nun doch den ganzen Rest Merlot aus. In Frankfurt war es ihr gelungen, eine Art Schutzzone um sich zu ziehen – um sich und um alles, was mit Richards Ehe zusammenhing. Das Thema war mit einem Tabu behaftet. Ihre Frankfurter Freunde hielten sich daran.
    »Wieso sollte ich mir nicht einen verheirateten Staatsanwalt leisten?« Sie hatte es nicht nur forsch verkündet, sie redete es sich auch selbst ein, denn schließlich wußte jeder, daß die Saynfeldt-Ehe ein einziges Desaster war – sie selbst aber pfiff im dunklen Wald und tat ganz so, als ginge sie das alles nichts an … Außerdem: War sie nicht psychologisch ausgebildete Psychiaterin? Gehörte es nicht zu ihrem Beruf, anderen Paaren wieder auf die Schiene zu helfen? Na also … Für die Umwelt war Isa in diesem Punkt unantastbar geworden. Die Isa weiß schließlich, was sie tut …
    Ja, von wegen!
    Jetzt zum Beispiel, jetzt, in dieser von Qualm und Gelächter, Schnaps- und Essensgeruch durchzogenen heilen Tessiner Welt, vor den Augen einer kleinen Tessiner Mutti, wußte sie nicht weiter.
    »Isa! Ich bin froh für Richard, daß er dich hat, glaub mir.«
    Auch das noch, dachte
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