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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Alhambra‹ wollte und sich dabei beinahe die Füße in den Leib gestanden hatte, aber jetzt ging's im Dreißig-Minuten-Takt, und der blöde Bus war ihr gerade vor der Nase davongedampft. Die Aldi-Reklame auf der anderen Straßenseite anzuglotzen war ja nun auch nicht gerade witzig, und außerdem war ihr wie Doris und allen anderen längst klar: Nie zu fremden Typen ins Auto. Ist zu gefährlich …
    »Also, wie ist das? Gib schon deine Tasche. Wo geht's denn hin? Sportverein?«
    »Nein, Aerobic«, sagte sie.
    »Aerobic? Ja super …«
    Er war nicht allzu groß, schlank und trotz seiner einfachen Klamotten, den Jeans, dem gelben Sweatshirt, aus dessen rundem Rand ein blauweiß karierter Hemdkragen hervorsah, wirkte er irgendwie – na ja, einfach ansprechend, sympathisch. Es war sein nettes Lächeln, es war das Gesicht mit dem weichen, kindlichen Mund. Er hatte weizenblond-braungesprenkeltes Haar, ziemlich dichte, dunkle Augenbrauen und darunter diese blauen Augen, die sie so richtig hilfsbereit und warmherzig ansahen. Er war ein Typ, der jedem Mädchen gefallen hätte, wirkte irgendwie vertraut, so wie einer aus ihrer Clique.
    Seine weißen Zähne lächelten unentwegt.
    Doch sie hielt ihre Tasche noch immer. Sie hatte gesehen, daß der blaue Fiesta, den er fuhr, ein Frankfurter Nummernschild aufwies.
    »Kommst du aus Frankfurt?«
    »Ich?« lachte er. »Ich komm' von überall her. Aber ich war gerade bei einer Tante in Bad Orb. Mir gefällt's hier im Spessart.«
    Es war wirklich nur das Lächeln, das sie einsteigen ließ …
    * * *
    Nun war alles geschehen, und Ludwig Ladowskys Gesicht glich dem Gesicht eines Sterbenden: ein Schädel, der nur noch aus Höhlungen zu bestehen schien, die Augen eingefallen, die Wangen tief eingezogen, die Zähne zu einer geifernden, erschöpften Grimasse entblößt, Schweiß überall, auf der zerfurchten Stirn, am Hals … Ladowsky war am Ende seiner Kräfte, jedes Quentchen Energie war gewichen, ausgepumpt, ausgelaufen, streikende Nervenbahnen, erschlaffte Muskeln, schlaffer als ein nasser Sack, zu fern, zu furchtbar, zu fremd war die Welt, in der er sich aufgehalten hatte, eine Gespenster-Galaxie – aber jetzt war die Mission beendet, und nun mußte er, der Astronaut, sich von ihr lösen, auch wenn es den letzten Funken Kraft kostete, die Rückkehr war seine Aufgabe, nichts anderes als Rückkehr, dazu aber mußte er wieder denken können, die eisige Leere mit Plänen füllen.
    Schaff sie weg.
    Wieso eigentlich? Sie finden sie ja doch.
    Schaff sie hier weg!
    Das kann ich nicht, sagte es in ihm, geht nicht mehr. Und das wäre auch gegen den Plan. Und außerdem – was sein mußte, mußte sein. Und das arme kleine Schwein von Püppchen-Hure hat sowieso nichts davon. Die merkt nichts mehr, die gibt's nicht mehr.
    Er sollte besser beten: Oh, meine kleine Heilige. Siehst du, du bist jetzt dort, wo alles leicht ist.
    Aber er betete nicht, obwohl er wußte, daß es notwendig war. Das letztemal, da konnte er es, das letzte Püppchen war ja noch ein Kind gewesen. Diesmal fehlten ihm die Worte. Und das war der einzige Grund, warum er plötzlich Panik spürte.
    Gott!
    Oh, gib mir deine Worte …
    Gott gab sie ihm nicht.
    Sein Magen krampfte sich zusammen.
    Er hatte zu lange auf den Zementblock gestarrt und auf das, was sich darunter verbarg. Die Knie wollten nicht mehr. Ludwig Ladowsky sackte zusammen, setzte sich auf den Rand des Bettes, auf dem sie lag. Es war ihm auch egal, daß die Matratze naß von Blut war. Er hatte keine Beine mehr, nur noch flüssige, heiße Wassersäulen waren das; er stöhnte, dann legte er den Kopf in seine beiden verschmierten Hände und blieb lange, sehr lange so sitzen.
    Mission beendet. Nicht nur dem Püppchen, allen hatte er es gezeigt. Das Wichtigste aber blieb jetzt die Landung. Eine problemlose Landung, versteht sich. Eine Landung, zu der man nachher sagen konnte: Tiptopp. Super, mein Junge! Einfach Spitze …
    Und das Blut? Die Klamotten? Auch kein Problem. Daran hast du doch gedacht. Im Wagen liegt dein Arbeitszeug, das ziehst du an, die alten Klamotten wirst du in den Bach werfen oder, noch besser, verbrennen. Moment … eins nach dem anderen. Schritt um Schritt. Die Spanngurte, mit der du die heilige Hure hier ans Bett gefesselt hast? Auch ins Wasser … Bleibt der Stein. Den sollen die sich ansehen. Werden ihren Spaß dran haben. – Du könntest auch die ganze Bude abfackeln? Geht nicht … Die kämen sofort, die würden den Rauch von der Straße aus
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