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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bereitschaftspolizei zugesagt – was kam, waren zwei Züge Grenzschutzbeamte und dazu vom LKA vier Mann Verstärkung.
    Auch ein Hubschrauber war zur Fahndung abkommandiert worden. Der knatterte über die Baumwipfel, während es unten Hundegekläff gab, Walkie-talkie-Gequassel, Kommandos und Beamtenketten, die Äste niederbrachen und das Laub aufwühlten. Den ganzen verdammten Wald um die Futterstelle im Schrägen 14 hatten sie durchgekämmt und die umliegenden Wälder dazu. Rehe hatten sie gesehen, auch zwei, drei Keiler, Unmengen Vögel hatten sie aufgescheucht – und das war's dann …
    Der Fiesta trug die Nummer F 822.443 und war geklaut, doch handelte es sich um den Wagen des Täters. Die Mutter des Opfers hatte die kleine Haarspange, die sie an der rechten Gleitschiene des Beifahrersitzes entdeckten, als ihrer Tochter gehörend identifiziert; ein rührend kleines, blaues Plastikding mit drei winzigen Negerköpfen daran. Am Sitz hatten sie auch noch Pulloverfusseln gefunden und einen zweiten Treffer gelandet: Die Fasern waren von rosa und apfelgrüner Farbe und wiesen exakt die gleiche chemische Zusammensetzung auf wie die Sporttrikots des Aerobicballetts ›Crazy Spessart Kids‹ aus Bad Orb.
    Jetzt aber …?
    »Mensch, Mensch, Mensch …« Der dicke Konnarz stand vor seinem Schreibtisch und betrachtete zum drittenmal die Leichenfotos. In der anderen Hand hielt er eines seiner geliebten Croissants und verstreute damit wie üblich Krümel über Boden und Schreibtisch. Bei Erich Konnarz waren es entweder Schokoriegel oder Croissants, irgend etwas mußte er ständig mampfen. Er war der Älteste der Kriminalbereitschaft Marktheim, ließ es zu, daß Dodo, die Sekretärin, oder seine Kollegen ihn ›Dicker‹ oder ›Birne‹ nannten, und hätte also als die typische, hängengebliebene Kripo-Lusche durchgehen können – wüßte nicht jeder, Berling miteingeschlossen, daß es keiner im Kommissariat an Routine und Erfahrung mit ihm aufnehmen konnte.
    »Laß deine fettigen Pfoten von den Fotos, Erich. Verzieh dich.«
    Konnarz ließ den Umschlag wieder auf Berlings Schreibtisch fallen. Zwei Bilder rutschten heraus. Berling vermied es, sie anzusehen. Sie waren furchtbar.
    »Wenn ich den kriege …«, hörte er ›Birne‹ sagen.
    »Ist ja gut, Erich.«
    »Und wie geht's weiter?«
    Ja, wie? – Berling lehnte sich im Sessel zurück und schloß die Augen. Kennst du doch alles: der Schwung am Anfang, das Gefühl, das Ding hier, das reißt du durch. Und was für ein Ding …! ›Großfahndung nach dem Kreuz-Mörder‹ lauteten die Schlagzeilen von der Nordsee bis zu den Alpen, und beim Frühstück oder am Telefon zählte seine Frau auf, wie oft sie den Namen ›Kriminalkommissar Berling aus Marktheim‹ in den Zeitungen gefunden hatte. Dazu Rudel von Reportern und TV-Leuten, selbst am frühen Morgen hatte er zwei aus seinem Vorgarten gescheucht. Dies alles … doch dann kommt plötzlich Sand ins Getriebe, dann erinnerst du dich wieder an die alte Erfahrung, daß das, was fulminant anläuft, noch lange nicht gut auszugehen braucht …
    »Das Schärfste an allem«, sagte Konnarz und rieb sich den Mund trocken, »das Schärfste ist das Ding mit diesem Dr. Gottlieb.«
    »Was für ein Dr. Gottlieb?« fragte Berling geistesabwesend.
    »Na, was für einer wohl? Wer hat denn mit ihm telefoniert? Du doch, Tommi. Der Gerichtsarzt, der den Fotografen im Leichenkeller fand.«
    »Das Schwein hat jetzt 'ne Strafanzeige.« Berling sah auf: »Erich, tu mir um Himmels willen den Gefallen und laß die Bilder in Ruhe. Und putz dir deine Hände ab und werf das verdammte Bäckerpapier hier in meinen Papierkorb. Und mach nicht noch mehr Brösel … Und vor allem – zieh Leine.«
    Konnarz drehte sich beleidigt um und wackelte mit seinen Schaukelhüften zur Tür.
    Doch die Fotos lagen noch immer in ihren braunen Umschlägen vor seinen Augen. Es waren zwei Umschläge: ein Stapel von Tatortaufnahmen und die Privatfotografien des Opfers.
    In den ersten Umschlag hatte er nur einen kurzen Blick geworfen. »Es gibt nichts, an das dich dieser Job nicht gewöhnen wird«, war einmal Berlings Spruch gewesen. Das war lange her. Und an solche Fotos würde er sich niemals gewöhnen. Wie auch?
    Und dann der zweite Umschlag. Fotografien aus Evis Jugendzeit. Evi mit der Schultüte, die Kleine auf einem Pony, der lachende Mann daneben war wohl der verstorbene Vater, schließlich Evi mit ihren Freundinnen vom Aerobic-Club in Bad Orb. Vor drei Wochen hatte jemand
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